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Neu Gelesen

Annette Danielsen: Inspiration Bali.

Doris Fischer: Flechten, Färben, Schnitzen. Werken und Bushcraft mit Pflanzen aus Wald und Wiese.

Elisabeth Etz, Nini Spagl: Ein Baum kommt selten allein.

Der Herbst kann kommen!

Es ist deutlich herbstlicher als noch vor ein paar Wochen. Schon hole ich mein Strickzeug heraus und beginne zu grübeln. Was mache ich, wenn Garten und Obstwiese mich nicht mehr allwöchentlich fordern? Diesmal stelle ich drei unterschiedliche Bücher vor, die alle wunderbare Herbstalternativen bieten. Für die Nadeln Annette Danielsens Inspiration Bali für draußen Doris Fischers Flechten, Färben, Schnitzen. Werken und Bushcraft mit Pflanzen aus Wald und Wiese und für den Nachwuchs Elisabeth Etz‘ und Nini Spagls Ein Baum kommt selten allein.

Tropische Maschen

Tropische Nächte, hohe Luftfeuchtigkeit, drückende Hitze. Wenn ich an Bali denke, sehe ich mich nicht stricken. Gottseidank heiße ich nicht Annette Danielsen. Denn dann gäbe es ihr wundervolles Buch „Inspiration Bali. Stricken mit Annette Danielsen“ nicht. Danielsen holt ihre Inspirationen aus dem Alltag, der sie umgibt. Diesmal erinnert sie sich an ihre Backpacker – Urlaube in Bali. Gleich ein einer impressionistischen Künstlerin fängt sie Farben und Muster in ihren Designs ein.

Beginnend mit den rauchgrauen Lavastrukturen des Vulkans Agung, den sie in einer Longjacke verewigt, führt sie durch die tropische Fauna. Die Muster passen genial gut und sind auf unterschiedlichen Schwierigkeitslevels gehalten. Auch das hüftkurze Strickjäckchen namens „Blaue Hortensie“ mit blassblauen kleinen Sternblüten passt perfekt. Danielsen strickt Fischschwärme, Mangroven und Körbe, ein Muster ist schöner als das andere. Sie kumulieren in erdig-bunten Farbtönen des Pullovers „Markt“, der die exotischen Gewürze im Gewirr irdener Gefäße spiegelt. Stricken wir uns in den Urlaub!

Bushcraft für Große und Kleine

Wer es lieber handfest mag, kann sich bei Doris Fischer in „Flechten, Färben, Schnitzen“ Anregungen holen. Fischer arbeitet sich von A-Z durch Baum- und Pflanzenarten durch, denen wir im Alltag begegnen könnten. Von Ahorn bis Wiesenkerbel gibt es Anregungen zum Kochen, Flechten, Spielen, Basteln und Färben. Dabei ist das Verhältnis von kindlichem und Erwachsenenverständnis sehr ausgewogen.

Körbe flechten, Garne und Textilien einfärben oder einfach nur schlemmen und spielen wie vor zweihundert Jahren – gerade für unseren schönen Sommer und Herbst ist dies ein ideales Begleitbuch. Wer wie ich sommers wiesenbedingt wenig Zeit hat, findet genügend Anleitungen für Januar und Februar, die sich auch dann ohne Lagerung durchführen lassen. Schließlich mussten auch die Korbflechter ihre Arbeitszeiten einteilen. Eine ideale Begleitung durchs Jahr also!

Den Wald mit lauter Bäumen sehen

Bäume sind für unsere Welt sehr wichtig. Sie sind groß und mächtig, zusammen ergeben sie einen Wald. Sie sind außerdem kompliziert aufgebaut, ganz unterschiedlich, kommunizieren untereinander und treiben völlig verrückte Sachen. Elisabeth Etz und Nini Spagl haben mit „Ein Baum kommt selten allein“ ein Mitmachbuch für Kinder ab sechs Jahren geschaffen, das seinesgleichen sucht. Wo gibt es überhaupt Bäume? Ab wann ist ein Baum ein Baum?

Die Autorinnen begeben sich mit ihren kleinen Lesern auf eine weltweite Entdeckungsfahrt. Sie machen das, was Kinder so lieben: Superlative finden. Der älteste Baum, der höchste Baum, der kleinste Baum. Oder komplizierte Details erklären, wie die Photosynthese. Vor allem nehmen sie ihre Leser ernst und erklären kindgerecht die komplizierten Zusammenhänge zwischen Ökosystem und Mensch. Viele Anregungen zum Ausmalen, Einkleben oder Handeln nehmen die Angst vor der eigenen Machtlosigkeit. Ein großartiges Buch!

Titelangaben:

Annette Danielsen: Inspiration Bali.

Münster: LV-Buch, 2021. 132 Seiten, 26 €.

Doris Fischer: Flechten, Färben, Schnitzen. Werken und Bushcraft mit Pflanzen aus Wald und Wiese.

Aarau: AT-Verlag, 2017. 256Seiten, 29 €.

Elisabeth Etz, Nini Spagl: Ein Baum kommt selten allein.

Wien: Leykam Buchverlag, 2022. 144 Seiten, 22 €.

Neu Gelesen

Carolin Jahn: Vom Garten auf den Teller.

Hugh Fearnley-Whittingstall: Viel mehr vegetarisch.

Tracy, Dana, Lori & Corky Pollan: Hauptsache pflanzlich. 101 leckere Rezepte der Pollan – Familie für Flexitarier

Carlo Bernasconi, Juliette Chrétien: Helvetia Vegetaria. Vegetarische Rezepte aus der Schweiz.

 

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Es grünt so grün

Grün ist gut. Im Leben, auf dem Teller, in der Wohnung. Längst sind Bücher, die sich mit Garten und vegetarischer Ernährung befassen, nicht mehr an einzelne Zielgruppen gerichtet. Das sieht man wunderbar an Carolin Jahns „Vom Garten auf den Teller“ oder an den Rezepten des Gemüselandwirts Hugh Fearnley-Whittingstall in „Viel mehr vegetarisch“. Aber auch die Flexitarier Tracy, Dana, Lori und Corky Pollan zeigen in Hauptsache pflanzlich. 101 leckere Rezepte der Pollan – Familie für Flexitarier, dass es Zeit ist, Schubladen zu öffnen und nie wieder zu schließen. Schließlich demonstrieren Carlo Bernasconi und Juliette Chrétien mit Helvetia Vegetaria. Vegetarische Rezepte aus der Schweiz, dass seit alters her ein Großteil unserer Ernährung vegetarisch war.

Praktikabel in allen Alltagen

Das Schöne an Carolin Jahns „Vom Garten auf den Teller“ ist, dass es ein alltagstaugliches Buch ist. In einer Familie müssen Dinge und Abläufe nicht nur schön sein oder gesund, vor allem müssen sie auch funktionieren. Deshalb finden sich im Buch auch so viele Rezepte, die Anklänge an die eigene Kindheit bringen. Jahn meidet Exoten und setzt auf das, was alle mögen: Erdbeeren, Tomaten, Salat und co.

Sehr praktisch fand ich auch die Aufteilung nach Jahreszeiten. Denn im eigenen Garten wachsen Erdbeeren nunmal nicht im Winter. Deshalb gibt es auch keine Rezepte für Mangos oder Melonen oder Avocados, egal wie trendig sie sind. Wer mag, findet außer den liebevoll inszenierten Rezepten auch noch viele nützliche Tipps rund um Küche und Garten. Samenbomben, Ollas, Kräutertee. Für den Garten kann man so viel machen und von ihm lässt sich für alle so sehr profitieren. Ein wunderbares Buch auch für Familien mit kleinen Kindern und dem ersten eigenen Familiengarten.

Damit die Tische sich biegen

Hugh Fearnley-Whittingstalls „Viel mehr vegetarisch“ ist eine Orgie an grün-bunten Leckereien. Sein in der Einführung erklärtes Ziel ist die Schaffung barock-orientalischer Genusserlebnisse mit rein vegetarischen Gerichten, die zudem ohne große Zugabe von Mehlprodukten funktionieren. Allein diese Prämisse ist spannend. Man denkt, was bleibt als Beilage – Kartoffeln? Und dann kredenzt Whittingstall ein originelles Rezept nach dem anderen.

Vor allem darf man bei den zweihundert leckeren Rezepten keine Berührungsängste haben. Ein „Rhabarber-Apfel-Grünkohl-Tartar“? Hätte ich nie kombiniert. Schmeckt berauschend. „Karotten-Hummus“ – ein No-Go? Keineswegs. Vor allem mediterrane, orientalische und fernöstliche Gewürze und Aromen verfeinern die vielen Rezepte. Es gibt Eintöpfe, viel Gebratenes, Aufläufe, Rohkost und Frühstücksrezepte. Alles ohne Mehl. Dafür viel mehr Gemüse, Hirse, Buchweizen, ein paar Kartoffeln und Vollkornreis oder Quinoa. Ohne Zweifel mein Lieblingskochbuch für die nächste Gartensaison und selbst für versierte vegetarische Köche ein großartiges Geschenk.

Einmal für alle

In der Pollan-Familie gibt es alle Geschmacksrichtungen: Omnivor, vegetarisch, vegan, flexitarisch. Wenn sich also hier die Großfamilie über drei Generationen trifft, müssen die Tische variantenreich gedeckt sein. Sammelt man die Lieblingsgerichte, entsteht ein multikulturelles Potpourri an Rezepten, die sich vor allem durch ihren prinzipiellen Reichtum an Gemüse auszeichnen. Bei den Pollans wird so gekocht, dass Fleisch mittlerweile nur noch als Beilage auf den Tisch kommt.

Flexibel und schnell

Dabei zeichnet die amerikanische Familie auch der Hang zur Praktikabilität aus. Gut soll es schmecken, viel Gemüse soll es sein und schnell soll es fertig gestellt sein. Die Puristen rümpfen da vielleicht die Nase, wenn Tortillas nicht selbst gemacht werden und auch die Salsa gekauft ist – familien – und alltagstauglich sind die Rezepte allemal. Vielleicht muss man hie und da etwas umdenken – es werden viele US-Marken genannt, aber die Rezepte sind auf jeden Fall wert, ausprobiert zu werden!

Nichts Neumodisches

Carlo Bernasconi und Juliette Chrétien konzentrieren sich in Helvetia Vegetaria. Vegetarische Rezepte aus der Schweiz auf althergebrachte Rezepturen. Viele davon sind nicht nur in der Schweiz, sondern im gesamten süddeutschen und alpenländlichen Raum bekannt, wenn auch unter anderen Namen. So erhält man nicht nur eine historische Führung durch alte Kulinaria, sondern man darf anhand dieses äußerst geschmackvollen und liebenswert gestalteten Kochbuches in die Geschichte der Vorfahren eintauchen.

Die Kapitel sind unterteilt in die Regionen der Schweiz und hier zeigt sich auch schnell die angestammte multikulturelle Prägung durch italienische und französische Einflüsse. Mir gefällt auch die Konzentration auf herzhafte Mehlspeisen, wie sie in Süddeutschland heißen. Sie sind alle absolut nachkochbar und schon beim Lesen läuft einem das Wasser im Mund zusammen. Kräutersuppen, Zwiebelwähen, viel mit Appenzellerkäse, natürlich Rösti, Kartoffel-Gulasch oder Capuns, die wir zuhause „Krautwickel“ nennen. Bernasconi kocht mit dem, was traditionell angebaut wird. Aus der gefühlt kargen Armeleuteküche werden so leckere Mahlzeiten, die an warmen wie kalten Tagen satt und glücklich machen.

Titelangaben:

Carolin Jahn: Vom Garten auf den Teller.

Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2022. 200 Seiten. 29 €.

Hugh Fearnley – Whittingstall: Viel mehr vegetarisch.

Aus dem Englischen von Susanne Bonn.

Aarau: AT-Verlag, 2018. 416 Seiten. 28 €.

Tracy, Dana, Lori & Corky Pollan: Hauptsache pflanzlich. 101 leckere Rezepte der Pollan – Familie für Flexitarier

Aus dem Englischen von Anne-Katrin Grube.

Kandern: Unimedica Verlag, 2019. 296 Seiten. 26,80€.

Carlo Bernasconi, Juliette Chrétien: Helvetia Vegetaria. Vegetarische Rezepte aus der Schweiz.

Aarau: AT-Verlag, 2017.264 Seiten. 45 €.

Bye April

Gut, dass ich den durchwachsenen April loswerde. Zwischendurch aber passte er wunderbar in meine weiße Phase. Nach dem bunten Jahreswechsel wünschte ich mir Ruhe. Dank des Schnees hatte ich nicht nur die, sondern auch ewig viel quietschende Kinder.

Meine Jungs rodelten. Wir haben uns einfach ins Auto gesetzt, zwei Tafeln Schokolade und zwei Thermoskannen Tee eingepackt, zwei Bobs von Oma dazugeworfen und sind los. Mann, war das kalt. Nach zehn Minuten half nur noch: Mitrodeln!

Und so sieht mein Garten aus, wenn das Aprilwetter Schnee schickt! Gut, dass wir noch nicht gepflanzt hatten, mich juckte es schon so sehr in den Fingern!

Wie gesagt, der weißen Phase tat es gut. Ich habe endlich mein Tuch fertig gestrickt. Das Muster stammt aus einem Rezensionsexemplar – Coffeehouse Knits!

Es ist ganz schön groß geworden. Und sehr weiß im bunten Laden.

Perfekt passend dazu mein handgesponnenes Baumwollgarn, das mich viel mehr gefuchst hat, als ich je geglaubt hätte. Zur Entspannung verspinne ich jetzt erst mal Merino…..

Es war gar nicht so leicht, ein feines Garn zu bekommen. Jetzt ist es halt robust. Sonst mach ich alles immer ganz dünn. Verrückt.

Und mal nicht für den Laden: ich brauche dringend einen neuen Wäschekorb im Bad. Zwar steht der alte Papierwäschekorb nach drei Jahren noch (hätte ich auch nicht gedacht), aber er verliert so langsam seine Form. Und eigentlich ist er mir zu groß…..

Neu Gelesen

Michaela Müller: Bunte Bücher. Muster gestalten, Einbände drucken, Bücher binden.

Petra Paffenholz: Buchbinden im japanischen Stil.

Petra Paffenholz: Buchbinden für Kinder.

Schöne Bücher selbst gemacht

Während draußen kalte Winde und nervenaufreibende Viren ihr Spiel treiben, kann man es sich drinnen bei Tee und Buch so richtig gemütlich machen. Für alle, denen das Lesen zu viel wird und die sich ans Schreiben und Gestalten wagen wollen, haben Petra Paffenholz und Michaela Müller die perfekte Lektüre verfasst. In „Bunte Bücher. Muster gestalten, Einbände drucken, Bücher binden“Buchbinden im japanischen StilundBuchbinden für Kinder“werden verschiedene Aspekte der uralten Handwerkskunst vorgestellt und in wunderschöne, zeitgenössische Projekte umgewandelt.

Lust am Spiel

Michaela Müller gibt sich in „Bunte Bücher. Muster gestalten, Einbände drucken, Bücher binden“der Lust am kreativen Farbenspiel hin. Die Graphikdesignerin und Bloggerin (www.muellerinart.blogspot.com) liebt Bücher und gestaltet sie am liebsten selbst. In „Bunte Bücher“ gibt es keine langwierigen Einführungstexte, von Anfang an geht es ums kreative Ausprobieren. Das lässt fast vergessen, wie hochwertig und liebevoll der Band durch den Haupt-Verlag herausgegeben wurde.

Bei MüllerinArt kommen alle auf ihre Kosten. Michaela Müller bedruckt kleine Notizhefte und bindet komplexe Fotoalben. Sie klebt mit Buchbinderleim und führt in die koptische Bindung ein. Zwischen ihren Seiten kann man sich verlieren. Meist druckt Müller mit unterschiedlichsten Techniken von Stempeldruck bis zu Siebdruck zuerst Musterpapiere, die sie aufhebt, bis sie mit Buchbinderleinen zu einem gebundenen Schatz werden. Deshalb werden sogar Kartons liebevoll bedruckt und für die Motivpapiere vorbereitet.

Alte Handwerkskunst

Petra Paffenholz betrachtet in „Buchbinden im japanischen Stil“ einen anderen Blickwinkel des Buchbindens. Ihr geht es um die Vermittlung einer uralten japanischen Kulturtechnik und deren Transformation in die Moderne. Ihre nahtgebundenen Bücher mit Gelenk sind wunderschön und in unterschiedlichsten Schwierigkeitsstufen herzustellen. Dabei führt sie behutsam und gekonnt in das alte Kunsthandwerk ein.

Zehn Jahre braucht man, um in der japanischen Technik ein Meister zu werden. Betrachtet man Paffenholz‘ Werkbeispiele, die in jahreszeitlich passenden Motiven gegliedert sind, glaubt man dies sofort. Dieses Buch ist nichts für schnelle Projekte, hier will mit Liebe und Geduld gestaltet werden. Allein der Entwurf eines Buches und des passenden Umschlags kann dauern. Großartig ist, dass die Projekte zwar aufwändig, aber machbar auch für Laien sind. Ideal für alle, die gern mit Handarbeit entspannen und den Kopf frei bekommen wollen.

Schöne Bücher für kleine Leute

Während bibliophile Erwachsene in den Werken von Müller und Paffenholz schwelgen dürfen, gibt es auch etwas Buchgenuss für kleine Hände. Petra Paffenholz hat mit „Buchbinden für Kinder“ ein kompaktes Werkbuch geschrieben, das viele der oben erwähnten Techniken in sich vereint. Gemeinsam ist ihnen, dass alle komplexen Arbeitsschritte vereinfacht wurden und so absolut durchführbar für Kinder sind.

Wer also den nächsten Kindergeburtstag für Bücherwürmer gestalten möchte, bekommt viele fröhliche Vorschläge, Bücher kindgerecht zu binden. Heftungen, Faltungen, Leporellos, japanische Bindungen – alles ist auch für Kinder möglich. Gern greift Paffenholz beim Material dabei auf Dinge zurück, die im Haushalt vorhanden sind – vom Pappteller bis zu Schaschlikspießen und Cornflakesverpackungen. Damit lassen sich Adventskalender, Spionagehefte, Geheimnisbücher und Fotoalben in rauen Mengen herstellen.

Alle drei Bücher sind im detailverliebten Haupt-Verlag erschienen. Einmal mehr beweisen sie, dass es mehr als nur Papier einbringt, wenn man Bücher besitzt und selbst gestaltet. Personalisierte Handwerkskunst für alle Altersklassen bereichert unseren vermehrt digitalisierten Alltag. Schön, dass es Bücher gibt!

Titelangaben:

Michaela Müller: Bunte Bücher. Muster gestalten, Einbände drucken, Bücher binden.

Bern: Haupt-Verlag, 2017. 192 Seiten, 29,90 €.

Petra Paffenholz: Buchbinden im japanischen Stil.

Bern: Haupt-Verlag, 2019. 224 Seiten, 34 €.

Petra Paffenholz: Buchbinden für Kinder.

Bern: Haupt-Verlag, 2018. 160 Seiten, 24,90 €.

Neu Gelesen

Jenniffer Taylor: Ran an die Nähmaschine! Schritt für Schritt und ganz entspannt zur eigenen Kleidung.

Kerry Bogert: Coffeehouse Knits. 20 Strickideen inspiriert von Latte Macchiato und Espresso.

Kerstin Neumüller: Verflickt und zugenäht. Kleidungsstücke ausbessern und verschönern.

Stoff und Nadel

Lockdown, Miesepeterwetter und Aufräumwahn schreien geradezu nach kreativem Ausgleich. Der gelingt bestimmt, wenn man sich mit Jenniffer Taylor an die Nähmaschine wagt. In Ran an die Nähmaschine! Schritt für Schritt und ganz entspannt zur eigenen Kleidung nimmt sie neugierigen Frischlingen die Angst vor der Perfektion – mit wundervollen Ergebnissen. Auch Kerry Bogerts Coffeehouse Knits. 20 Strickideen inspiriert von Latte Macchiato und Espresso tuten in das gleiche Horn. Nichts ist so schön und entspannend wie verregnete Februartage im Lockdown mit Buch, Kaffee und Nadeln.

Das Beste an Taylors sympathischer Schnittsammlung ist, dass alles erlaubt ist. Schnitte werden bei Bedarf selbst erstellt und wer sich vor der Komplexität des Nähens ängstigt, fängt einfach klein an. Teetassenklein. Klar kann man sich auch an die Haute Couture wagen, doch auch im Rechteck aneinander gesteppte alte Halstücher sind toll und ein hervorragend kühler Blickfang im Sommer. Wer Neuling ist, freut sich über die guten Tipps und bebilderte Anleitungen.

Super für Einsteiger

Alle, die schon länger nähen, werden eher müde gähnen beim Anblick der Schnittmuster. Hemdupcycling, Decken umnähen, eckige Taschen und einfache Kleider gehen schnell. Es fehlt oft die Raffinesse in der Schnittführung, über die man sich entweder besonders freut oder ärgert, je nach persönlichem Können. Dagegen sind die Tricks und Kniffe gerade Anfängern oft unbekannt, und in Taylors freundlich unkomplizierter Art löst sich jede Panik vor der Nähmaschine in Luft auf.

Alle Schwierigkeitsniveaus

Ganz anders Kerry Bogert. Die passionierte Strickerin und Redakteurin hat in ihren Coffeehouse Knits verschiedene Designerinnen und Schwierigkeitslevels versammelt. So ist sicher für jede Liebhaberin von Kaffee und Maschen etwas dabei. Erstaunlich, wie genau oft Farbe und Textur zur vorgestellten Kaffeesorte passen. Toll auch, dass die Modelle mit ihrer Extraweite angegeben werden. Jahrelang haben sich Nadelfans gefragt, wieso ein Pullover in M an einem Modell schlabbert und an einem selbst klebt.

Sehr detailverliebt und genau sind die Strickmuster, die Herangehensweise an die Anleitungen ist durchweg praktisch. Bei Pullovern braucht man keine Größen, der Brustumfang ist meist entscheidend. Toll, dass Bogert dies erkannt hat und konsequent umsetzt. Für alle, die im Moment lieber kleine Projekte auf den Nadeln haben, sei auf die vielen Stulpen, Mützen, Tücher und Schals verwiesen, die die Designerinnen im Buch vorstellen. Dieses Buch hat Lieblingspotential!

Geliebte Textilien behalten

Ideal zum Thema Nachhaltigkeit passt Kerstin Neumüllers Verflickt und zugenäht. Kleidungsstücke ausbessern und verschönern. Neumüller zeigt in diesem kurzen Kompendium auf wieviel verschiedene Arten geliebte, aber zerschlissene Textilien gerettet werden können. Wer schon einmal eine gutsitzende Lieblingsjeans verabschieden musste, weiß, dass sich Reparaturen oft lohnen. Besonders aufregend: es wird nicht einfach nur geflickt, sondern das Kleidungsstück umgestaltet.

Dazu stellt Neumüller traditionelle europäische Flicktechniken genauso vor wie etwa alte japanische Flicktechniken. Sashiko ist eine Mischung aus Handstickerei und Flicken und eignet sich dann, wenn ein auffälliger Riss nicht mehr versteckt werden könnte. Dann macht man einfach einen Hingucker daraus! Für alle, die es eilig haben, werden auch Techniken für die Nähmaschine vorgestellt. Als Zugabe gibt Neumüller außerdem einen genauen Überblick über Textilarten und deren schonende Pflege, damit auf jeden Fall das Lieblingsstück auch lange eines bleibt!

Titelangaben:

Jenniffer Taylor: Ran an die Nähmaschine! Schritt für Schritt und ganz entspannt zur eigenen Kleidung.

Münster: LV Buch, 2017. 144 Seiten. 7,37 €.

Kerry Bogert: Coffeehouse Knits. 20 Strickideen inspiriert von Latte Macchiato und Espresso.

Münster: LV Buch, 2020. 144 Seiten. 25,99 €.

Kerstin Neumüller: Verflickt und zugenäht. Kleidungsstücke ausbessern und verschönern.

Bern: Haupt Verlag, 2019. 128 Seiten. 22 €.

Neu Gelesen

Monbijou: Loriot Notizen.

Shane Madden: Stickern nach Zahlen. Fabelhafte Tierwelt.

Helmut Stabe: Poesien des Alltags. Das Zündholz.

Kleine Geschenke für bibliophile Freunde

Ich entwickle eine emotionale Beziehung zu Papier. Schöne Buchseiten haben etwas sehr Entschleunigendes an sich. Diesmal stelle ich Euch drei ganz unterschiedliche Exemplare vor, die alle wundervolle Geschenke sind. Die Loriot Notizen von Monbijou huldigen dem großen Komiker, Shane Maddens Stickern nach Zahlen. Fabelhafte Tierwelt vereint Meditation und Papier und Helmut Stabes Poesien des Alltags. Das Zündholz erinnert an die kleinen Dinge des Lebens.

Der rote Faden ergibt sich aus dem Gedanken des Geschenks an sich. Manchmal weiß ich, welche Art von Buch gern gelesen wird, ein andermal brauche ich nur eine Geste. Eine wundervolle Geste an nostalgische Menschen ist Helmut Stabes Hommage an das Zündholz. Ganz klein und zart, mit liebevoll goldenem Imprint und die Innenseite gestaltet wie eine Zündholzschachtel. Das kleine rote Heft ist ganz den Gedanken gewidmet, die um die Kunst des Feuermachens mit Streichhölzern kreisen.

Wundervoll editiert

Natürlich wird Prometheus, der Stammvater des Feuers, bemüht. Aber auch alle anderen Techniken, Wärme und Licht in die Menschenwelt zu bringen, werden aufgezählt, bis eben das Streichholz an der Reihe ist. Wer hat’s erfunden? Welche Geschichten handeln vom Zündholz und was machen die Leute mit den alten Schachteln? Humorvoll und liebevoll kreist das Heftchen um das Zündholz und lässt auch Anekdoten und Spiele nicht aus. Ein tolles Geschenk für Nostalgiker.

Genauso schmunzelnd wird man das Loriot Notizbuch betrachten, das aus der Monbijou Edition stammt. Mein Rezensionsexemplar widmet sich den Damen des Komikers, unvermeidlich denke ich an Evelyn Haman und das Jodelseminar. Wer Loriots verzweifelte und stille Karikaturen mag, wird das Notizbuch lieben. Die schönen Seiten werden durch einen Reißverschluss geschützt, die Buchdeckel sind stabil wie eine Mappe. Und innen wandern Loriots Damen tippend, tobend, als Walküren, als Politessen durch das Büchlein. Herrlich.

Farbenfreude entspannt

Wer sich lieber ohne lesen und schreiben entspannt, für den ist Shane Maddens Stickerbuch die richtige Wahl. Es folgt dem Trend der Ausmalbücher für Erwachsene, nur ist es etwas reisetauglicher gehalten. Keine Stifte sind notwendig, um den schönen Tierbildern Charakter zu geben. Doch geht es nicht nur ums Kleben: Madden hat jedes Tier mit einer Mediation umrahmt. Entspannung, Selbstliebe, Seelenruhe, neue Tatkraft: Das sollen die unterschiedlichen Meditationen und Tierbilder vermitteln.

Es entstehen farbenfrohe Tiermandalas im orientalischen Stil, die nach dem Kleben vielleicht ein zweites Leben als Postkarte oder in einem Rahmen erhalten dürfen. Die Farbkombinationen sind sehr harmonisch und ich kann mir gut vorstellen, dass an einem regnerischen Nachmittag die Sticker eine perfekte Beschäftigung sind. Dreimal also darf gewählt werden, alle Ausgaben sind ideal als Mitbringsel zum Kaffeetrinken, zum Geburtstag oder an einem netten Abend.

Titelangaben:

Monbijou: Loriot Notizen.

Köln: Helmut Lingen Verlag, 2018. 96 Seiten. 10,99 €.

Shane Madden: Stickern nach Zahlen. Fabelhafte Tierwelt.

Übersetzt von Christine Heinzius.

Münster: LV-Buch, 2017. 64 Seiten. 7,06 €.

Helmut Stabe: Poesien des Alltags. Das Zündholz.

Aarau: AT Verlag, 2018. 32 Seiten. 7,50 €.

Neu Gelesen

Felix Immler: Outdoor mit dem Taschenmesser. Das kleine Handbuch für unterwegs.

Nicolas Lätt: Outdoor Kids. Bushcraft und Abenteuer mit Kindern für jede Jahreszeit.

Raus mit Euch!

Im AT – Verlag sind in diesem Jahr einige Bücher zum Thema »Outdoor« erschienen. Eine wahre Goldgrube für all jene, die ihre Ferien ab vom Mainstream verbringen möchten, ob mit oder ohne Kinder. Natürlich interessieren mich die Aktivitäten für und mit Kindern mehr, deshalb heute eine kleine Vorauswahl. Mit Felix Immlers Outdoor mit dem Taschenmesser. Das kleine Handbuch für unterwegs erhält man ein tolles Projektbuch für Tage im Wald, während Nicolas Lätts Outdoor Kids. Bushcraft und Abenteuer mit Kindern für jede Jahreszeit ganze Reiseprojekte vorstellt. Perfekt für Familien!

Beide Bücher sind ansprechend gemacht und wunderbar geeignet für Familien. Die Projekte und Trips sind ganz unterschiedlich gehalten und man sollte bedenken, dass der AT-Verlag aus der Schweiz stammt. Ich würde mal sagen, grad in Oberbayern und im alpinen Österreich sind alle Projekte von Nicolas Lätt sehr leicht umzusetzen, während das waldige Voralpenland und der Rest der Republik sich vielleicht über die Bushcraft von Felix Immler freut.

Draußen sein

Kinder sind gerne draußen. Meistens braucht es auch kein spezifisches Projekt, um draußen Spaß zu haben. Für einen Tag im Wald aber ist es oft ganz praktisch, im Falle aufkommender Langeweile Ideen zu haben. Die haben beide Autoren, während Immlers Impulse aber besser geeignet sind für kurze Aufenthalte. Eine Hütte bauen, schnitzen, über einer Feuerstelle grillen. Kleine Kinder finden sich gleich in ein Rollenspiel, während die großen ihre Schnitz- und Baukünste erproben müssen.

Nicolas Lätt ist selbst Vater von vier Kindern und übernachtet mit ihnen gerne draußen. Entsprechend eignen sich seine Gedanken perfekt für die Planung ganzer Touren, die mehrere Tage dauern sollen. Lätt lebt in der Schweiz, Berge, Bäche und Wälder sind in den Projekten allgegenwärtig. Im Schwabenland dagegen werde ich nicht in Versuchung kommen, mit meinen Jungs ein Iglu zu bauen.

Die richtige Ausrüstung

Beide Autoren betonen, wie wichtig eine gut funktionierende Ausrüstung für Outdoorabenteuer ist. Vom hochwertigen Taschenmesser bis hin zu den richtigen Schlafsäcken und Zelten erhält man in beiden Büchern wertvolle Hinweise für Planung und Durchführung. Dabei gefällt mir besonders, dass Lätt sowohl für kleine als auch große Kinder plant und dass Immlers Projekte sich auch für Erwachsene eignen.

Immlers Projekte gliedern sich in »Werkzeuge und Hilfsmittel«, »Campingeinrichtung«, »Küchenutensilien« und »Kochstelle«. Einem erfolgreichen Aufenthalt im Wald wird also auch in kulinarischer Hinsicht nichts entgegenstehen. Lätt dagegen sind nach den Jahreszeiten aufgeteilt. Im Frühling wird im Wald eine Hütte gebaut, Feuer gemacht und im Wald geklettert, Gold gewaschen, mit dem Kanu gefahren und mit Pfeil und Bogen geschossen. Bachbettwanderungen im Sommer, Kochen auf einer Feuerstelle, kindgerechtes Wandern und Wasserwandern sind wundervolle Projekte im Sommer.

Lust auf Natur

Was beide Autoren sympathisch macht, ist auch, dass sie jeweils großen Wert auf einen nachhaltigen Umgang mit den Ressourcen der Natur legen. Wie verhalte ich mich im Wald, was ist, wenn ein Kind auf die Toilette muss, welches Material kann ich ohne Bedenken nutzen. Gerade Lätt, der Vater und Lehrer plaudert dabei humorvoll und sympathisch aus dem Nähkästchen, während Immler sich lieber kurz hält und im Taschenbuchformat alle wichtigen Informationen vermittelt.

Titelangaben:

Felix Immler: Outdoor mit dem Taschenmesser. Das kleine Handbuch für unterwegs.

Aarau: AT Verlag, 2018. 128 Seiten. 13 €.

Nicolas Lätt: Outdoor Kids. Bushcraft und Abenteuer mit Kindern für jede Jahreszeit.

Aarau: AT Verlag, 2018. 136 Seiten. 20 €.

Neu Gelesen

Maria Skärlund: Töpfern lernen. Grundlagen. Technik. Projekte. Inspiration.

Projekte für die Zukunft

Ich bin eine große Keramikliebhaberin. Wo immer ich hinfahre und Urlaub mache, versuche ich, landestypische Keramik mit nach Hause zu bringen. Italien, Spanien, Griechenland, überall finde ich kostbare Kleinigkeiten. Am liebsten würde ich selbst Keramik herstellen können. Deshalb wollte ich unbedingt Maria Skärlunds Töpfern lernen. Grundlagen. Technik. Projekte. Inspiration lesen. Ein wunderbares Buch für Einsteiger. Und definitiv zu anspruchsvoll für mich.

Schuster, bleib bei deinen Leisten. Ich werde wohl nicht Töpfern lernen. Denn obwohl Maria Skärlund alles dafür tut, einem die Angst zu nehmen und in ihrem Büchlein sehr einfache Projekte vorstellt, scheitere ich an der Zeit. Wann bloß soll ich jetzt auch noch töpfern? Generell ist Skärlunds Buch toll aufgeteilt. Es gibt Kapitel zu Grundlagen, Ton Schlagen, Schalen, Teller, Fliesen, Formen, Becher, Henkel, Dosen und Fußkonstruktionen.

Gute Einführung für Neugierige

Man erhält einen sehr komprimierten Überblick über alles, was es beim Töpfern zu bedenken gilt.

Wichtige Fachbegriffe zu Glasuren und Brenntechniken werden genauso vorgestellt, wie bestimmte Handgriffe beim Drehen der Töpferscheibe oder Tricks beim Abformen. Faszinierend, wie wenig sich die Techniken in den letzten tausend Jahren geändert haben. Töpfern ist eine uralte Handwerkskunst.

Entsprechend gestalten sich die Werkzeuge, die benutzt werden. Seit vielen Jahrzehnten begleiten z.B. Schamotte, Schlicker, Engoben oder Ränderscheiben die Keramiker. Viel Wert wird auch auf das Schlagen von Ton gelegt, der vor der Bearbeitung erst weich werden muss. Wer nicht gleich viel Geld in eine Töpferscheibe investieren will, erhält Tipps für die Gestaltung von Hand. Ob Abformung oder Ausformung mit den Fingern, der Einstieg ist leicht.

Netzwerk erforderlich

Letztendlich braucht man aber doch einen Kurs. Denn wie sonst erhielte man Zugang zu einem Brennofen oder den entsprechenden Lasuren? Ich habe bereits einmal getöpfert und von Hand geformt und hatte das Glück, einen Keramiker zu kennen, der für mich mitgebrannt hat. Das ist gar nicht so selbstverständlich, denn gerade bei Laien zerplatzen die Werkstücke oft, wenn in der Abformung Risse oder Blasen waren.

Im Handwerk ist nichts so leicht, wie es aussieht. Ich habe großen Respekt vor den Keramikern, die liebevoll und in Kleinstarbeit ihre Werkstücke ausgestalten. Aber ein Buch allein wird mich nicht in dieses Universum einführen. Für alle, die sich aber ernsthaft mit dem Gedanken an einen Kurs herum schlagen, kann ich das Buch als wertvollen Einstieg in die Welt der Fachbegriffe nur empfehlen. An die Scheibe!

Titelangaben:

Maria Skärlund: Töpfern lernen. Grundlagen. Technik. Projekte. Inspiration.

Übersetzt von Christine Heinzius.

Münster: LV-Buch 2016. 116 Seiten. 17,95 €.

Neu Gelesen

Hugh Fearnley- Whittingstall: Täglich Früchte. 160 Rezepte, pikant und süß.

König der Obstbauern

Klar, hier bin ich voreingenommen. Dieses Jahr habe ich 40 kg Sauerkirschen und 30 kg Süßkirschen geerntet. Plötzlich merke ich, wieviel Obst auf meinen Obstwiesen wächst. Wer nicht nur Kirschmarmelade haben möchte, liest bei Hugh Fearnley- Whittingstall nach. In Täglich Früchte. 160 Rezepte, pikant und süß gibt der bekannte Gastronom viele Anregungen, die über Saft und Marmelade hinaus gehen.

Früchte sind immer toll. Sie schmecken am besten roh, vom Baum oder Strauch und die sonnengereifte Süße betört jeden Gaumen. Es geht nichts über eine Handvoll Erdbeeren oder eine Aprikose, die vor reifer Süße freiwillig vom Baum fällt. Hält sich die Ernte in überschaubaren Grenzen, ist dies der beste Weg, Früchte zu genießen. Für alle anderen Möglichkeiten gibt es nun ein neues Buch.

Süße Früchtchen

Hugh Fearnley-Whittingstall vergisst in seiner Abhandlung nichts. Von Sommerbeeren über Rhabarber, bis hin zu Steinobst, Äpfeln, Wildfrüchten, Südfrüchten und Trockenobst widmet er allen Obstsorten ein Kapitel. So kommt es, dass Täglich Früchte ein relativ umfangreiches Buch ist. Das Prinzip darin ist aber einfach: Früchte schmecken immer. Natürlich auch auf Tartes und anderen Kuchen, deshalb findet man auch diese Rezepte im Buch.

Aber eben auch im Salat, zum Braten, im Brot und so weiter. Chutneys und Saucen bekommen durch Früchte eine ganz eigene Würze, auch mit Frischkäse, Speck und Bohnen lassen sie sich gut kombinieren. Zu jedem Kapitel gibt es eine ausführliche, persönliche Einführung, so dass es auch einfach lohnt, Täglich Früchte zu lesen. Hugh Fearnley – Whittingstall ist sich nicht zu gut für klassische Rezepte wie ein wundervolles Himbeersorbet, aber natürlich sind es Schätze wie ein »Kaninchen-Rillette mit Stachelbeer – Relish«, die sofort Lust aufs Kochen machen.

Deftige Obstvariationen

Eigentlich muss man nur ein bisschen umdenken und aufhören, Obst als Süßigkeit zu begreifen. Steckt man seinen Kopf in die Welt hinaus, wird man schnell entdecken, dass in Asien, im Orient oder in Südamerika viel öfter deftig mit Früchten gekocht wird. Die Melone mit Schinken hat es sogar in unsere Breitengrade geschafft. Als niederbayerische Mama kenne ich viele süße Hauptgerichte, Mehlspeisen, die aus der böhmischen und österreichischen Tradition stammen. Ich könnte Whittingstalls Ausführungen hier ergänzen.

Toll finde ich auch die Wildobst- und Trockenobstrezepte am Ende des Buches. Sie sind vor allem für Menschen gedacht, die keinen uneingeschränkten Zugang zu Früchten haben. Für mich ist Dörren oft eine tolle Möglichkeit, Sommerobst wie Kirschen haltbar zu machen. In Wein eingelegt lassen sich daraus tolle Bratensaucen zaubern. Gleichzeitig lerne ich auch gute englische Küche mit den vielen Puddings und gedämpften Fleischgerichten kennen. Das »River Cottage«-Team ist bekannt für seinen nachhaltigen und experimentellen Kochstil. Früchte in unseren täglichen Ernährungsplan mit einzuplanen, ist das neue Verdienst des Teams rund um Hugh Fearnley-Whittingstall.

Titelangaben:

Hugh Fearnley- Whittingstall: Täglich Früchte. 160 Rezepte, pikant und süß.

Aus dem Englischen von Susanne Bonn.

Aarau: AT Verlag, 2017. 416 Seiten. 28 €.

Neu Gelesen

Ernst Peter Fischer: Das Große Buch der Physik.

Willkommen in unserem Universum

Ernst Peter Fischer gelingt es mit Das Große Buch der Physik meisterhaft, interessierten Laien einen populärwissenschaftlichen Zugang zu physikalischen Grundlagen und deren Auswirkungen auf unser aller Leben zu geben. In dem prunkvollen Band aus der Edition Fackelträger werden, umrahmt von berauschenden Fotografien und Grafiken, physikalische Phänomene verständlich erklärt. Sämtliche Begriffe und Teildisziplinen, von der Energie bis zur Plasmaphysik, werden auf knapp dreihundert Seiten vorgestellt und in einen Zusammenhang gebracht.

Physiker werden nur müde lächeln ob Fischers Bemühungen, die Welt der Physik praktisch allen zugänglich zu machen. Doch der Professor für Physik, der sich auf die Wissenschaftsgeschichte spezialisierte und unter anderem in Heidelberg und Konstanz lehrte, ist bekannt für seine ausgezeichneten publizistischen Leistungen. In Das Große Buch der Physik macht er sich auf, vielen Menschen auf äußerst ästhetische Weise die Angst vor dem Unbekannten zu nehmen.

Symbiose von Theorie und Praxis

Physik ist ein wunderbares Beispiel für das anschauliche Zusammenwirken von Theorie und Praxis. Seit tausenden von Jahren beschäftigen sich Denker mit den Phänomenen der sichtbaren und unsichtbaren Welt und versuchen, die Beobachtungen in Denkmodellen der Physik zusammenzufassen. Entsprechend begibt sich der Wissenschaftshistoriker Fischer auf eine Zeitreise und teilt sein Buch über Physik in drei große Teile: Die Grundbegriffe, klassische Physik bis zur Quantenmechanik und schließlich moderne physikalische Strömungen mit ihren großen Rätseln für unsere Zukunft.

Dabei richtet sich der ästhetische, große Bildband an jene interessierten Leser, die zu Schulzeiten an der Physik vielleicht sogar gescheitert sind, bzw. froh waren, nach Ende der Schulzeit mit solch komplexen Phänomenen nichts mehr zu tun zu haben. Entsprechend umfangreich ist auch der Teil des Buches, der sich den Grundbegriffen widmet, die geklärt sein wollen, bevor es der Relativitätstheorie an den Kern geht.

Reise durch die Wissenschaftsgeschichte

Was ist eigentlich Energie? Viele gängigen physikalischen Grundbegriffe wurzeln in den Denkmodellen der Antike, sowie zum Beispiel Aristoteles den Begriff der Energie, »energeia« geprägt hat. Energie ist dann die Aufwendung, die ein Individuum einsetzen muss, um eine Möglichkeit auszuführen. Es brauchte aber erst den Umweg über den Gedanken der Kraft, der auf Newton zurückgeht, sowie die Entwicklungen der industriellen Revolution, bis der bahnbrechende Gedanke der »energeia« des Aristoteles in die Lehre aufgenommen wurde.

Anekdotenhaft und charmant führt Fischer die Leser durch das Universum der Physik. So vieles wird vermittelt, »Atom«, »Quantum«, »Elementarteilchen« und das Standardmodell der Physik. Fischer strengt sein Publikum an, er fördert nicht nur das Verständnis der Wissenschaft, er fordert auch das Verstehen ein. Während er nonchalant über Komplementarität plaudert, sich wundervolle Wissenschaftsfotografien und Grafiken durch den Bildband schlängeln, wird immer wieder nebenbei eine Formel erklärt und niedergeschrieben.

Wunder erkennen

Dabei umgibt sich Fischer nicht mit den Insignien eines dünkelhaften Gelehrten. Ihm ist klar, dass seine realitätsverhafteten Leser erst einen Zugang zur Thematik brauchen, der sich bei Mechanik und Elektrodynamik noch rasch finden lässt, aber spätestens bei den Relativitätstheorien und der Quantenmechanik dem Alltagsverständnis entzieht. Ohne Arroganz zeigt er auch die Grenzen der Wissenschaft auf, die eigentlich ja die Welt erklären will und doch immer wieder erkennen muss, wie sehr sie erst am Anfang der Welt steht.

Entsprechend komplex gestaltet sich der Teil über moderne physikalische Denkansätze, von Astrophysik über Geophysik bis hin zur Kosmologie und zur Tieftemperaturphysik. Hier gibt es nichts final zu erklären, es kann nur ein Tor aufgestoßen werden zu einem Universum voller Rätsel und Wunder. Dennoch gelingt es Fischer, anhand von Beispielen wie dem CERN oder gerade der Geophysik mit der Darstellung des irdischen Planeten konkrete Bezüge zur Wirklichkeit zu schaffen. Nicht, dass man nach der Lektüre ein Physikstudium in Angriff nehmen könnte. Doch zu verstehen und hochzuachten, dass es Menschen gibt, die sich den Rätseln des Universums kreativ stellen, ist eine Erkenntnis, die man nach der spannenden Lektüre von Fischers Das Große Buch der Physik durchaus gewinnen kann.

Titelangaben:

Ernst Peter Fischer: Das Große Buch der Physik.

Köln: Fackelträger Verlag, 2017. 320 Seiten. 40 EUR.