Neu gelesen und gefreut: Ab zum Freutag!
Djennat Derradj: Kinderkram. Werken, Basteln, Selbermachen für die ganze Familie.
Schöner Spielen
Djennat Derradj hat in Kinderkram. Werken, Basteln, Selbermachen für die ganze Familie das Kind in sich neu entdeckt. Die Projekte, die sie vorstellt, sind nicht allesamt neu erfunden, vieles kennt eine kreative Mutter aus dem Netz. Doch sie vereint der Wille zum Werken, eine grundlegend schöne, zurückhaltende Ästhetik, ein praktischer Anspruch und vor allem: viel Freude bei der Herstellung der Kostbarkeiten.
Praktischerweise hat Derradj ihr Bastelbuch in die Jahreszeiten aufgeteilt, Blättern ist also ausdrücklich erlaubt und erwünscht. Bei vielen Projekten können kleine Kinder mitgestalten, das verdoppelt das Vergnügen. Der Fokus liegt dabei auf Alltagshelfern, klassischen Kinderrollenspielen und saisonalen Dekorationsmöglichkeiten. Nicht alles ist dafür gedacht, eine Saison zu überleben, aber alle Dinge sind individuell und wunderschön.
Klassische Saisonspiele
Blumenpressen für den Frühling, Osterdekoration, Spiele für Draußen, Picknickdecken, Tipis, oder Sammlerdisplays, Kostüme, Spielmöbel und dekoratives für saisonale Feste: Derradj bedient die Klischees, was aber völlig in Ordnung ist. Eltern erleben in ihren Kindern die eigene Kindheit noch einmal und freuen sich genauso wie die Kleinen an schönen Dingen. Dabei gelingt der Autorin der Wechsel vom Draußen nach Drinnen sehr gut, man kriegt richtig Lust aufs Kuscheln drinnen oder auf wilde Sommerspiele.
Die Ästhetik ist dabei eine klassische Erwachsenenästhetik: reduziert, wenige, teils gedeckte Farben, gute Grafik. Auch wenn kleine Hände mithelfen dürfen, geben die Großen die Ziele vor, das kann manchmal zum Problem werden. Die Ostereier, die meine Kinder verzieren, sind traditionell die scheußlichsten, die man sich vorstellen kann, doch in Liebe gemalt. Nicht immer gelingt es, den Kindern den eigenen Willen aufzudrängen und eine konsistente Ästhetik im trauten Heim umzusetzen.
Modernes Design
Natürlich kann der Fokus Derradjs nur bedingt die Alttagstauglichkeit sein. Mit breit gefächertem Repertoire gelingt es ihr, auch aktuelle Trends wie skandinavischen Chic, Upcycling oder naturbelassene Dekorationen, aufzugreifen. Somit ist für viele Interessensgebiete Schönes im Buch. Der Hauptaugenmerk liegt trotzdem auf Dingen für Kinder im unteren Altersbereich, ab dem zehnten Lebensjahr wird es wohl eher schwierig.
Im Endeffekt ist es wie bei vielen anderen Aspekten der Kindheit: unsere Kinder dürfen nur bis zur dritten Klasse Kinder sein. Dann gilt in vielem die Erwachsenenästhetik und das ist schade. Derradj hat viele Projekte für Babies, Kleinkinder, Kindergartenkinder und Grundschulkinder. Teenager sind ausgelassen, und doch sind auch das noch Kinder, die sich über schöne Dinge freuen. Ich würde außerdem meinen, dass bei einem mit »für die ganze Familie« untertiteltem Werk nicht nur große Kinder, die es manchmal gibt, mitgemeint sind, sondern auch die Väter. Die haben jedoch klar das Nachsehen.
Nix für Väter
Wenn die Papas nicht gerade genauso auf Häkeldeckchen und zarte Pastelltöne abfahren, wie die Mütter, dann muss man feststellen, dass eben nicht die ganze Familie gemeint ist. Das Problem ist eines mit Folgen. Jungs werden groß und orientieren sich an Vätern, die sich in dem Buch kaum finden werden. Also werden weder große Jungs noch die Papas besonders viel werken. Babies und Kleinkinder können noch nicht teilnehmen und Derradj, die eigentlich alle mit einbeziehen wollte, steht plötzlich nur einem kleinen Teil der Familie gegenüber: den Müttern. Sehr schade.
Titelangaben:
Djennat Derradj: Kinderkram. Werken, Basteln, Selbermachen für die ganze Familie.
Aarau: AT Verlag, 2017. 1128 Seiten. 25 EUR.