Archiv für den Monat: Dezember 2016
Freutag – Buchfreude
Bis meine Blumen wieder blühen, gibt es etwas zum Lesen! Ab damit zum Freutag!
Truman Capote: Wo die Welt anfängt. Erste Erzählungen.
Worte eines alten Teenagers
Um diesen Band von Erzählungen richtig zu begreifen, sollte man sich zuerst mit dem Nachwort der Herausgeberin Anouschka Roshani befassen. Truman Capote hat seine Geschichten aus
Wo die Welt anfängt als Teenager verfasst, doch mit dem Sprachduktus des fertigen Autors geschrieben. Dies erst macht die vielen Erstveröffentlichungen zu einem wahren Schatz. Die Wundmale des Genies, der als Mensch nie fertig wurde, brandmarken seine Worte als Panoptikum der Emotionen seiner Zeit, nicht eines Kindes. VIOLA STOCKER reiste als Passagier durch ein Universum des amerikanischen Traums.
Die Stimme des Kindes ist nur selten zu hören in diesen Erzählungen und lässt sich am ehesten dort vernehmen, wo die Worte eines Teenagers dem Erzählten gegenüber versagen. Wenn Tod und Leid und Bosheit regieren und Capotes vierzehnjähriges Alter Ego versucht, die Welt zu begreifen. Insofern ist auch die Titelgebung ein Gewinn, denn hier fängt die Welt an, wenn ein Kind den ersten Schritt aus seiner Kindheit heraus tut.
Ein Hauch von Südstaatenblues
In vielen der Erzählungen spielt der Alltag in den Südstaaten der vierziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts eine große Rolle. Das Landleben, gepaart mit Laisser Faire und den Überbleibseln der französischen Kultur, wird durch die Augen der Protagonisten gesehen. Capote scheut nicht den Perspektivenwechsel, in den kurzen Momentaufnahmen erzählen verschiedenste Personen eine Geschichte. Dort, wo der Teenager keine Antwort hat, bleiben auch die Protagonisten wortlos. So entsteht eine magische Atmosphäre der Geheimnisse des Lebens.
Die alte Miss Belle Rankins ist so eine Gestalt. Mal beobachtet vom achtjährigen Ich-Erzähler, mal auktorial erzählt, dann wieder spricht der gealterte junge Mensch. Sie stirbt verarmt und unverstanden, hätte ihre schönen Zierquitten verkaufen können und zieht doch das Elend und die Bettelei vor. Im Anblick ihres Todes verjüngt sie sich. Capote spart sich Erklärungen und Deutungen. Vielleicht findet er keine Erklärung für seine Bilder, vielleicht verweigert er dem Leser, was er selbst ahnt. So werden all seine Erzählungen geheimnisvoll und vorahnend.
Tod, Elend und Hoffnung
Truman Capote gelingt es, nicht zu werten. Eine Verbrecherin erscheint einer alten Bekannten, bittet um Fluchthilfe und wird ins Moor gelotst. Ein Junge will einen Verbrecher jagen und verliert seinen Freund an den Mörder. Ein Kind verliebt sich in die Mutter eines sterbenden Jungen. Eine Diebin beteuert ihre Unschuld, während sie weiter stiehlt. Die Ambivalenz menschlicher Existenz ist Capote offensichtlich früh bewusst gewesen. Er, der sich seines Andersseins und seiner Homosexualität wegen ausgeschlossen fühlen muss, aber auch unbedingt besonders sein will.
Für Capote kommt der Tod als schöner, junger Mann und ist so besonders erschreckend. Ein Engel erscheint in der Gestalt einer jungen Frau, die Kinder nicht leiden kann und ein Kinderleben rettet. Ein Kind sucht die Freundschaft eines kranken Kindes und freut sich doch, als es stirbt, weil es den Hund des Verstorbenen bekommt. Solche Gefühle sind vielleicht moralisch verwerflich, doch es gibt sie allemal. Den Tod, der nicht bereut wird, der Diebstahl, der erfreut, ein Engel, der keiner ist.
Gespür für Schicksal
Als Kind erfährt man das Ausgeliefertsein an die Welt wohl stärker als ein erwachsener Mensch. Vielleicht deshalb scheint Capote so fasziniert von Erzählungen, in denen das Schicksal in das Leben von Menschen auf tragische Weise eingreift. Wäre Capote nicht ein so guter Erzähler, klängen die Schicksale verschiedener Menschen, die an einem Tag auf unterschiedliche Weise ein neues Leben geschenkt bekommen und am Ende doch bei einem Busunfall ums Leben kommen, etwas kitschig und heroisch. Hier wird man dem Autor die Jugend nachsehen und verstehen, dass ein Mensch im Vollbesitz seiner geistigen und körperlichen Kraft die Wege des Schicksals oft nur besonders ungern akzeptiert.
Jede einzelne Erzählung ist anrührend und zauberhaft. Ein Jugendlicher benutzt seine Sprache, um die Welt zu begreifen. Heraus tritt ein fertiger und erwachsener Autor, dessen literarischer Weg stringent fortsetzt, was er in seiner Jugend begann. Jede Gestalt, mit der Capote sich auseinandersetzt, ist ambivalent und liebenswert und doch kaputt, wie Holly Golightly. Darüber weht der Hauch des Südens über dem kühlen New Yorker Geist.
Titelangaben:
Truman Capote: Wo die Welt anfängt. Erste Erzählungen.
Aus dem Amerikanischen von Ulrich Blumenbach.
Berlin: Kein & Aber, 2015. 160 Seiten. 18,90 EUR.
Auf meinem Tisch – On my Table
Wieder ein halbfertiger Post, aber es sind nur wenige Tage vor Weihnachten, das soll meine Entschuldigung sein. Dafür kommt hier ein cooles Rezept für den Fall, dass Ihr Gäste zum Abendessen habt, etwas Tolles servieren wollt und das alles ohne Mega-Aufwand.
Ihr braucht einen Hefeteig ohne Ei, dafür mit einem Schuß Olivenöl, Dann ein bis zwei Becher Creme fraiche oder Frischkäse und jede Menge Speckwürfel und Kräuter.
Well, here comes another half finished post, but with only a few days to Christmas, please excuse all those flaws. Anyway, here come a nice recipe for those who will have guests in the evening without dinner but something cool to eat.
You need a yeast-dough without eggs, but with a bit of olive oil, about 200-400g of sour cream, and a lot of bacon and herbs.
Ich habe noch Parmesanreste gefunden und verwerkelt, muss aber nicht sein. Der Teig wird verknetet und dann muss er ruhen. In der Zeit macht Ihr die Füllung: einfach Speck, Käse und Creme Fraiche mischen und würzen.
I even added some parmesan left overs and it turned out quite perfect. Make a dough and let it rest. In the meantime, prepare the filling and mix bacon, cheese and sour cream and season it.
Dann wird der Hefeteig größtmöglich und ca. 4mm dick ausgerollt und die Füllung wird darauf verstrichen. Alles einrollen.
Als nächstes wird eine Springform eingefettet und Ihr schneidet von der Rolle ca. 5-7cm breite Stücke ab und stellt sie in die Springform und zwar so, dass man von oben schön die Schneckenform sieht. Dann könnt Ihr alles noch einmal stehen lassen.
Gebacken wird auf 200°C ca. 20 min, bis eben oben alles knusprig ist. Schmeckt super zu Bier und Wein an einem netten Abend.
Auf damit zu Frollein Pfau und Gusta!
Then roll out the dough about 4mm in thickness and pour the filling on it. Roll it.
Take an oiled pan and cut 5-7cm pieces off the roll and place them in the pan. Let it rest.
Bake it on 200°C for about 20 minutes until crispy. So yummy with wine on a nice evening.
Weihnachtswerkstatt – Christmasstudio
Meine Posts werden immer chaotischer, ich weiß schon. So, wie es bei mir daheim grad eben auch aussieht. Weihnachtswahn, ich sag’s ja. Dabei sind mir die kleinen Häuschen, die ich schon vor Wochen als Schaufensterdeko für den Laden gemacht hab, fast durch die Lappen gegangen. Schade, denn das war so ein nettes und schnelles Projekt. Sogar Jakob konnte mithelfen.
Dafür habe ich Tetrapaks sorgfältig ausgewaschen und unten abgeschnitten, damit der Deckel oben als Hausdach bleiben kann. Den Plastikdeckel hab ich in meine Plastikdeckelkiste verfrachtet und mit dem Cuttermesser hab ich mir eine Häuserfront zurechtgeschnitzt. Und dann alles mattschwarz mit Acrylfarbe gestrichen. Eigentlich habe ich an den paar Tagen alles, was mir in die Finger gekommen ist, schwarz gestrichen.
These posts are getting ever more chaotic. Like being at home at Christmas time. I made those houses weeks ago for my shop window. And forgot them. What a pity, because it was such an easy and fun project, with Jakobs help.
I just cleaned the LPGs thoroughly and cut off the bottom ( I needed the top for the roof). I made windows with an exacto knife and painted it black. Like everything else within my reach these days.
So sehen sie aus, die schwarzen Häuser, vor meiner Flaschensammlung (die warten aufs Zerschneiden). Man muss kucken, dass man ja alle Ecken und Kanten gut erwischt und nichts weiß lässt, sonst ist der Charme dahin. Lackiert habe ich nichts, denn ich wollte den matten Charakter erhalten.
That’s what they looked like in my studio (in front of those bottles awaiting their neck cut).
Und natürlich wollte ich ungefähr drei Wochen lang ein Foto von draußen machen und hab es nicht hingekriegt. Super. Wenn ihr aber unten an den Seiten immer zwei kleine Schlitze einschneidet, habt Ihr einen wunderbaren Tunnel für eine Lichterkette. Die hab ich in jedes Haus ordentlich reingestopft, damit es im Schaufenster schön glitzert (was Ihr nicht sehen könnt, weil ich immer noch kein Foto von vorn habe) und habe sie von Haus zu Haus geführt. Jetzt habe ich eine Glitzerstadt im Fenster. Ich finde es wundervoll.
Verlinkt mit : Creadienstag, Meertje, HoT, Dienstagsdinge, Weihnachtszauber, Pamelopee, Gusta und HappyRecycling!
For weeks I wanted to take a pic from the outside, which I never did. Anyway, if you slit holes in the bottom you can thread cable lights through your houses and make them glitter. How wonderful.
Neu Gelesen
Petra Ahnert: Bienenwachswerkstatt. Kerzen, Seifen, Kosmetik und Deko selber machen
Wachsalchemie
Bienenwachs und Alchemie – passt doch wundervoll zusammen, nicht wahr? Am Ende entsteht immer etwas Goldenes. Petra Ahnert vereint in Bienenwachswerkstatt ihre beiden Leidenschaften: Analytisches Denken gepaart mit purer Kreativität. Daraus entsteht eine Alchemiewerkstatt, in der Öle, Wachse und Duftstoffe in ausgewogenen Mischverhältnissen vor sich hin köcheln und am Ende des Tages in betörenden Naturgeschenke enden.
Gleichzeitig muss ich mir mein tiefes Scheitern eingestehen. Denn leider werde ich nicht Teil einer Bienenwachswerkstatt werden. Ich habe keine Bienen und werde keine haben und für eine Alchemistenwerkstatt bin ich viel zu unordentlich. Ich denke, Petra Ahnert stellt ein wunderbares Hobby vor, das für sie zum Beruf geworden ist. Und deshalb richtet sich ihr Buch am ehesten an solche Menschen, die sich ebendies überlegen: ein Bienenhobby zum Beruf werden zu lassen.
Flüssiges Gold
Wer das aber will, wird hier schnell fündig: denn es geht nicht um die Bienen an sich, sondern um die Verwertung der Waben. Ahnerts Lebenspartner ist Imker und die Autorin verarbeitet also, was nach dem Honigmachen übrig bleibt. In einem ersten Kapitel stellt Ahnert den Werkstoff vor und wer nur weiß, dass Bienenwachs himmlisch riecht und von Bienen hergestellt wird, erfährt hier in der Kürze, was Bienenwachs eigentlich ausmacht und wofür die verschiedenen Wachsarten – von Kerzenwachs bis Brutwabenwachs – benützt werden können.
Bekanntes und Neues
Die folgenden Kapitel widmen sich den einzelnen Techniken. Wer bereits Kerzenziehen war, kann das Kerzenkapitel überspringen, für alle anderen findet sich ein guter Überblick über verschiedene Techniken und Kerzenformen. Interessant wird es, wenn Ahnert ihre Alchemistenküche öffnet und Balsame, Lotionen, Salben und Seifen herstellt. Für jedes Pflegeprodukt gibt sie eine allgemeine Herstellungsweise an, die dann auf verschiedenste Arten variiert wird. Ein Grundrezept, das man auswendig lernen kann und auf dessen Basis dann gearbeitet wird. Das Prinzip finde ich toll.
Die anfangs erwähnte Liebe zur Analytik findet hier ihren Niederschlag, denn Ahnert wiegt sehr genau die Inhaltsstoffe ihrer Pflegeprodukte aus. Das macht sie zu etwas Besonderem und genau das hält mich von der Nachahmung ab. Ich weiß ja, wie ich in meiner Küche wüte. Zudem unterliegen viele Produkte einem langen Reifungsprozess, es bietet sich also an, einen Alchemistentrakt im Haus einzubauen. Wie gesagt, toll für alle, die ein Hobby zum Beruf machen wollen.
Bienenwachs für alles
Sogar die leidenschaftliche Klientel der Seifensieder kommt auf ihre Kosten, und wer gerne zwei Hobbies verbinden möchte, kann sich die Anschaffung eines Buches über Seifensieden sparen: Ahnert erklärt gründlich und einfach. Toll finde ich auch, wie universell Wachs eingesetzt werden kann. Klar, wer Bienen hat, möchte ihre Produkte möglichst überall verwenden können: Bienenwachsanzünder, Bienenwachswindlichter, Küchenbrettpflegemittel, Holzpolitur, gewachste Stoffe und so vieles mehr, dass man sich zwischendurch fragen möchte, wie man eigentlich ohne Bienenwachs auskommen konnte. Sogar Kunsttechniken wie Enkaustik und Batik werden vorgestellt, so dass alle kreativen Adern eines Menschen angesprochen werden.
Titelangaben:
Petra Ahnert: Bienenwachswerkstatt. Kerzen, Seifen, Kosmetik und Deko selber machen
Aus dem Amerikanischen von Maria Heyne.
Münster: LV Buch, 2015. 136 Seiten. 17,95 EUR.
Freutag – Buchfreude
Bis meine Blumen wieder blühen, gibt es was zum Lesen! Ab damit zum Freutag!
David Sax: Tastemakers: Fondue, Cupcake und Smoothie: Wie unser Geschmack erfunden wird.
Was ist ein Foodtrend?
David Sax, Journalist und Sachbuchautor aus Kanada, setzt sich in Tastemakers mit Foodtrends auseinander. Während beim Titel noch geschmunzelt wird, steht nach der Lektüre fest: Modetrends aus der Küche erreichen jeden, selbst diejenigen Menschen, die denken, sie wären immun gegenüber Essenstrends. VIOLA STOCKER muss sich kritischen Fragen stellen: wann begann der Chiasamenkonsum und weshalb mag wirklich niemand mehr Fondue?
Sax‘ Grundbotschaft ist denkbar simpel. Essen unterliegt den gleichen Trends wie jedes andere Produkt einfach deshalb, weil es einen Markt dafür gibt und viele Unternehmen sehr viel Geld damit verdienen. Spätestens, wenn es Chiasamen beim Discounter zu kaufen gibt ist klar, dass ein Trend geboren ist. Was aber geschieht davor? Wer ist dafür verantwortlich, dass ein Trend überhaupt entsteht und wer profitiert davon?
Gründliche Recherche
David Sax geht diesen Fragen sehr gründlich nach. In einem ersten Teil beschäftigt er sich mit verschiedenen Trendarten. Ob ein Nahrungsmittel ein kultureller Trend wird (wie z.B. der Cupcake dank Sex and the City) oder ob ein Landwirt sein gezüchtetes Produkt zum Markterfolg führen will, macht genauso einen großen Unterschied als wenn Küchenchefs einen Foodtrend generieren wollen oder Unternehmen mit einem gesunden Superfood die Märkte überschwemmen. Für jede Trendart hat sich Sax ein Beispiel ausgesucht und die Entstehungsgeschichte rekonstruiert. Wie zufällig diese sich gestalten kann, sieht man an den Cupcakes, wie geplant oft vorgegangen wird, zeigt die Landwirtschaft oder ein Gesundheitstrend wie bei den Chiasamen.
Es gelingt Sax hervorragend, zusätzlich zu seiner gründlichen Recherche – er besuchte Trendsetter, auch die Geschädigten eines Trends, Marketingspezialisten und Bauern – den typisch angelsächsischen Plauderton in Sachtexten aufrecht zu erhalten. Dadurch gestaltet sich die Lektüre an keiner Stelle langweilig und das neu erworbene Wissen wird mit Sicherheit schnell am eigenen Vorratsschrank überprüft werden.
Trendsetting bei Nahrungsmitteln
Dass die angloamerikanischen Staaten in Sachen Marketing und Professionalisierung keine Mühen scheuen, zeigt der folgende Teil, in dem untersucht wird, wie Trends generiert werden bzw. wie sie letztendlich ausbrechen. Wie wichtig hierbei selbst für die alternative und ökologische Landwirtschaft Fachmessen, Marketing und Datenerhebungen sind, wird anhand der sympathischen Geschichten von Herstellern von Nahrungsmitteln deutlich. Kanadische Obstbauern und amerikanische Biokäsehersteller bedienen sich der gleichen Methoden wie große Konzerne. Am Ende eines Tages würden einfach alle gerne Geld verdienen und von ihrem Einkommen leben können.
Was ist aber das Besondere an Essenstrends und weshalb sind sie so bedeutsam? Man kann sich kaum vorstellen, wie viel wirtschaftliche Kraft hinter Nahrungsmittelunternehmen steht. Vom Hersteller, Koch, bis hin zum Großunternehmer, Journalisten oder Autor, es hängen viele Existenzen an den Essenstrends und diese Existenzen sichern ihren Fortbestand dadurch, dass sie den nächsten Essenstrend möglichst früh erkennen. Ein großes Stück vom Kuchen ist alles, was jeder möchte. An den Nahrungsmittelbörsen schwankt der Schweinefleischpreis je nachdem, ob fettarme Kost in Mode ist oder jeder mit Bacon kocht. Bauern werden ihre Schweinezucht anders handhaben, je nachdem, wie viel Geld sie pro Schwein erwirtschaften können.
Am Ende steht der Konsument
Die Konsumenten stehen am Ende der Foodtrendkette. Wer vor zwanzig Jahren noch sein Birchermüsli schlürfte, wird jetzt einen Chiapudding bevorzugen und während Muffins längst die Geburtstagskuchen auf den Kinderparties ersetzt haben, servieren Trendsetter Cupcakes. Eröffnet in einer Stadt ein Cupcakecafé stehen die Chancen gut, dass die örtliche Konditorei schließen muss. Und als Fastfood Ketten Konsumenten verloren, wurden Foodtrucks Mode. Sushi wurde durch indisches Essen ersetzt. Und wer seinen Gästen etwas Besonderes servieren möchte, wird von Basmatireis zu China Black wechseln. Wir sind als Konsumenten eingebunden in diese Trends und ihnen ein Stück weit unterworfen. Bis ein neuer Trend auftaucht.
Titelangaben:
David Sax: Tastemakers: Fondue, Cupcake und Smoothie: Wie unser Geschmack erfunden wird.
Aus dem kanadischen Englisch von Pauline Kurbasik.
Wien: Residenz Verlag, 2015. 356 Seiten. 21,90 EUR.
Auf meinem Tisch – On my Table
Mensch, diese hektische Weihnachtszeit! Ich werkle zwischen Kundenwünschen, Kinderkonzerten, Weihnachtsfeiern, Auftritten und Geschenkbestellungen hin und her, nichts ist aufgeräumt, wenig geputzt, und dann haben sie auch noch Hunger. Einziger Trost: ein paar Wochen habe ich noch meinen Outdoorkühlschrank und da fand ich noch Rosenkohl und Kartoffeln.
Well, I’m fully diving into Christmas Madness and working and crafting between orders, kids‘ concerts, Christmasparties, concerts and gift wrapping. Nothing cleaned nor tidied up and everybody is hungry. My only fun is my outdoor fridge. With potatoes and Brussel sprouts.
Ich habe Kartoffeln gekocht und geschält und den Rosenkohl blanchiert und alles wie wild in eine Auflaufform geschmissen.
I boiled potatoes and Brussel sprouts and threw everything in a pan.
Zwei Eier habe ich mit einem Becher Sahne und Salz und Kräutern vermischt. Roch schon lecker….
Two eggs were mixed with cream, salt and herbs. Yummy.
Nachdem ich ohne Reste koche, habe ich ein paar Käsestückchen aufgetrieben und darüber geschnitten.
I found some cheese in my leftovers and chopped it.
Sauce obendrauf, Käse drüber und bei 250°C in den Ofen, bis alles knusprig braun und stichfest ist.
Ich verlinke mit Gusta und Frollein Pfau!
Cream on top plus cheese, put it in the oven on 250°C until crispy. Yes.
Aus meiner Werkstatt – In my Studio
Bei Jakobs Kindergartengruppe bin ich Elternvertreterin. Das heißt, ich darf mir ausdenken, was die Erzieherinnen zu Weihnachten kriegen. Das war gar nicht so schwer, dieses Jahr machen wir Süßigkeiten selber. Aber verpacken…..
Da fielen mir die braunen Papiertüten ein, ich hatte sie geschenkt bekommen. Sie sehen etwas fade aus. Also: an den Stift und malen. Ich male ein Lebkuchenhaus, das passt so schön zum Packpapier. Ihr findet dafür bestimmt noch tausend schönere Varianten.
Gefüllt haben wir mit Quittenspeck, Schokoäpfeln, Schokokaffeebohnen, Karamellen und einer selbstgezogenen Kerze – danke für’s fleißige Kerzenziehen, Friederike!
Ich verlinke mit Creadienstag, Pamelopee, HoT, Weihnachtszauber, Meertje und Dienstagsdinge.
I’m in parents‘ council at Jakobs kindergarden. Which means I had to think about what to give to the teachers as a Christmas gift. That was the easy part, because this year, we are making sweets. The difficult part was the packing…..
But I thought of those brown paperbags I had been given. Looking boring, but you can paint them! I opted for a gingerbread house, which matches perfectly with packing paper. I bet you could think of a lot of variations…..
We filled the bags with chocolate apples, chocolate coffee beans, caramell sweets, quince sweets and a handmade candle (thank you Friederike for making a lot of candles this winter).
Neu Gelesen
Sabrina Sue Daniels & Dagmar Reichel: Glutenfrei süß und herzhaft backen. 50 Rezepte für Kuchen, Kekse, Brot & mehr.
Mehlfreie Alternative ohne Kompromisse
Versucht man einmal, sich glutenfrei zu ernähren, sind die Grenzen schnell gesteckt. Was es im Handel an glutenfreiem Gebäck und Brot zu kaufen gibt, schmeckt nur halb, vor allem, wenn man den Geschmack von Mehl noch im Mund hat. Wunderbar, wenn dann zwei Autorinnen wie Sabrina Sue Daniels und Dagmar Reichel endlich ein Backbuch für Zöliakiebetroffene verfassen und Glutenfrei süß und herzhaft backen dann auch noch so liebevoll verfasst ist, dass man seine Erkrankung nicht mehr als Einschränkung erfährt und endlich nach Herzenslust den Kochlöffel schwingen kann.
Wie immer an dieser Stelle ein Lob an die Edition Michael Fischer, die ihre Autorinnen in gewohnt ästhetischer Weise veröffentlichen lässt. In Zeiten, in denen jedes zweite Rezept online nachzulesen ist, freut man sich, ein altmodisch schönes Backbuch in den Händen zu halten, das sowohl schön aufgemacht ist, als auch mit rundum gelungenen Rezepten bestückt ist. Für alle Einsteiger ins glutenfreie Backen gibt es anfangs eine Einführung und Übersicht über Grundrezepte, Gluten und entsprechende Alternativen. Mir gefällt besonders, dass die Autorinnen auf eine Standardbackmischung verzichten und verschiedene alternative Zusammensetzungen von glutenfreiem Mehl vorstellen. Die Geschmäcker sind verschieden.
Von Morgens bis Abends
Außerdem ist den Autorinnen ein glücklicher Rundumschlag über den ganzen Tag gelungen. Glutenfrei Backen besteht schließlich nicht nur aus Torten und Kuchen. Schon am Frühstückstisch, wenn alle Müsli und Brötchen essen, haben Zöliakiepatienten ein Problem. Immerhin zehn Rezepte hat man von nun an zur Auswahl und was nach wenig klingt, ist genug, wenn nur bedacht wird, wie selten man seine Morgenroutine wechselt. Quinoa-Quark – Brötchen, Kürbiskern – Bagels, Rhabarber-Erdbeer Crumble oder Pancakes, es gibt genügend glutenfreie Möglichkeiten, den Tag zu beginnen.
Bevor man zum großen Kuchenbüffet rüstet, tut es vielleicht auch ein Keks zum Tee. Dank der Rezepte der beiden Autorinnen gelingen Shortbread (hier mit Lavendel), Cookies, Cantuccinis oder Nussecken auch ohne Gluten. Wunderbar, denn Kekse sind auf Vorrat zu backen und ein gesunder Vorrat rettet im Ernstfall den Kaffeenachmittag. Für waschechte Kaffeegesellschaften muss natürlich ein solider Kuchn her. Torten, Cupcakes, Rührkuchen und Tartes finden sich im nächsten Kapitel, die Lieblingsklassiker sind immer mit einbedacht. Ob Beerentorte, Schokocupcakes, Brownies, Käsekuchen, Apple Pies oder Biskuitrolle, mit der richtigen Mehlmischung ist alles machbar.
Mischungen für jeden Geschmack
Auf die Zusammensetzung kommt es an. Selten werden zwei Rezepte mit der exakt gleichen Mischung gebacken, es entsteht mehr Varianz als bei traditionellen, glutenhaltigen Backverfahren. Auch die herzhaften Backrezepte stehen hier in nichts zurück. Pizza, Fladenbrot, Windbeutel, Sauerteigbrot, Toast und Kräcker – in ganz unterschiedlichen Mischungen werden Klassiker neu aufgetischt. Natürlich macht es nichts, dass ein Grissini dabei ein Grissini bleibt, denn die Hobbyköche möchten ja dem Original nahe kommen, ohne die Nachteile büßen zu müssen. Das verleiht Glutenfrei süß und herzhaft backen aber natürlich auch ein gewisses Klassikerpotential. Tips und Tricks erleichtern immer wieder bei den einzelnen Rezepten das Backen. Ein bisschen vermisse ich am Schluss einen Hinweis auf Bezugsquellen, wenn es auch ethisch lobenswert ist, dass an keiner Stelle im Buch Schleichwerbung betrieben wird. Man wünscht sich also schnell einen gut sortierten Supermarkt oder ein Reformhaus.
Titelangaben:
Sabrina Sue Daniels & Dagmar Reichel: Glutenfrei süß und herzhaft backen. 50 Rezepte für Kuchen, Kekse, Brot & mehr.
Igling: Edition Michael Fischer, 2016. 128 Seiten. 16,99 EUR.
Freutag – Buchfreude
Bis meine Blumen wieder blühen, gibt es was zu lesen! Ab damit zum Freutag!
Alois Brandstetter: Aluigis Abbild
Konterfei der Scheinheiligkeit
Inmitten der Wirren des Dreißigjährigen Krieges bittet eine Witwe einen berühmten Maler um ein Porträt ihres seliggesprochenen Sohnes. Alois Brandstetters Briefverkehr zwischen Rubens und der Donna Marta Tana di Santena liest sich wie ein leicht ironisierendes Sittengemälde aus dem Barock, ein Wirrwarr aus Carpe Diem und Memento Mori. Doch so wie Aluigis Abbild nicht fertig gestellt wird, verliert sich auch der amüsierte Plauderton in barocken Nichtigkeiten. Ich werde Zeugin einer Zerstreuung.
Donna Marta Tana di Santena, die verwitwete und bigotte Gattin eines spielsüchtigen und verarmten Gonzaga Fürsten aus Castiglione, findet in ihren einsamen Tagen auf ihrem Schloss den einzigen Trost im Gedanken, dass die Gemeinde Castiglione zu Ehren ihres seliggesprochenen Sohnes Aluigi ein Gotteshaus zu errichten plant. Die Fürstin hat beschlossen, dass niemand anders als der weltberühmte Peter Paul Rubens würdig sei, ein Altarbild mit dem Konterfei ihres Sohnes zu gestalten.
Höfische Sprachmalerei
Nachdem in Aluigis Abbild die Handlung kurz gehalten wird – ein Porträt wird bestellt und nie gemalt – verlagert sich der Fokus sofort auf die Sprache, in der der Briefverkehr höfischen Absenders verfasst ist. Alois Brandstetter gelingt es wunderbar, einen Sprachduktus anzunehmen, der die barocken Höflichkeitsfloskeln abbildet und – denn der Leser entstammt einer anderen Zeit – die Ironie der Schicksale der Protagonisten fein herausarbeitet.
Gleichzeitig befremdet der überaus blumige Schreibstil, denn heutige Lesegewohnheiten sind anders und man mag bisweilen etwas ungeduldig die Seiten blättern. Was aber wunderbar dargestellt wird, ist die Doppelbödigkeit der barocken Moral. Mitten im Dreißigjährigen Krieg, zwischen Hexenverbrennungen und Pestepidemien, konversieren Dialogpartner, die sich keine Blöße geben wollen, die eine gefestigte Meinung vertreten, aber nicht darüber sprechen dürfen.
Bigotterie und Lebenslust
Wenn also Donna Marta ihrer Kammerzofe erklärt, wie heilig und unberührt ihr Sohn Aluigi doch war und die Kammerzofe vorsichtig ins Gespräch einflicht, dass der Grat zwischen Heiligem und Sonderling doch ein schmaler sei und im Verlauf deutlich wird, dass der Verzicht auf alle weltlichen Würden bei einem hochverschuldeten Adelshaus eher ein Gewinn denn Verlust ist, erhält die Figur des Aluigi nicht nur Risse, sie führt sich selbst ad Absurdum.
Rubens dagegen muss sich vor Donna Marta für seine üppigen Frauengestalten verantworten, es wird ihm Unkeuschheit vorgeworfen. Er selbst kann dagegen nichts für den asketischen Lebensstil des Aluigi empfinden und schlägt kurzerhand vor, sein Meisterschüler van Dyck könne doch das Portät übernehmen. Van Dyck, ein junges Genie im religiösen Kinderwahn, lässt sich auf den Handel nur zu gerne ein, doch die Reise nach Italien wird die Grand Tour des Künstlers, aus der er gereift hervorgeht – ohne das Portrait gemalt zu haben.
Stärkste Momente erst zum Schluss
Van Dyck wandelt sich vom ultrakonservativem Katholiken zum höfischen Maler, der Affären und uneheliche Kinder hat und den Glauben an die reine katholische Lehre spätestens in Rom verliert.
Der Briefwechsel mit Donna Marta gestaltet sich entsprechend verhalten und über lange Strecken wirkt das Zaudern des van Dyck fast ennervierend, denn das Ende der Geschichte ist längst klar. Es scheint, dass Brandstetter Zeit schindet, die höfische Sprache verliert gegen Ende etwas an Schliff, oder ist es nur Langeweile, die sich breit macht?
Den stärksten Moment hat der Autor in seinem Schlussplädoyer. Van Dyck wurde britischer Hofmaler, einer der wichtigsten Künstler Europas. Er verlor den Glauben und die Strenge, kurz, er wurde erwachsen. In einer Welt der jugendlichen Helden stellt Brandstetter sich die Frage, die niemand beantworten kann: wie wäre Aluigi als alter Mann gewesen? Desillusioniert? Der Reiz der Revolution hängt an der Jugend, man weiß es längst. Ein alter Jesus? James Dean als Rentner? Che Guevara als Großvater? Unvorstellbar. Alternde Revolutionäre enden in der Bedeutungslosigkeit oder als Diktatoren. Der Glanz der Jugend vergeht.
Titelangaben:
Alois Brandstetter: Aluigis Abbild
Wien: Residenz Verlag, 2015. 192 Seiten. 19,90 EUR.