Ernst Peter Fischer: Das Große Buch der Physik.
Willkommen in unserem Universum
Ernst Peter Fischer gelingt es mit Das Große Buch der Physik meisterhaft, interessierten Laien einen populärwissenschaftlichen Zugang zu physikalischen Grundlagen und deren Auswirkungen auf unser aller Leben zu geben. In dem prunkvollen Band aus der Edition Fackelträger werden, umrahmt von berauschenden Fotografien und Grafiken, physikalische Phänomene verständlich erklärt. Sämtliche Begriffe und Teildisziplinen, von der Energie bis zur Plasmaphysik, werden auf knapp dreihundert Seiten vorgestellt und in einen Zusammenhang gebracht.
Physiker werden nur müde lächeln ob Fischers Bemühungen, die Welt der Physik praktisch allen zugänglich zu machen. Doch der Professor für Physik, der sich auf die Wissenschaftsgeschichte spezialisierte und unter anderem in Heidelberg und Konstanz lehrte, ist bekannt für seine ausgezeichneten publizistischen Leistungen. In Das Große Buch der Physik macht er sich auf, vielen Menschen auf äußerst ästhetische Weise die Angst vor dem Unbekannten zu nehmen.
Symbiose von Theorie und Praxis
Physik ist ein wunderbares Beispiel für das anschauliche Zusammenwirken von Theorie und Praxis. Seit tausenden von Jahren beschäftigen sich Denker mit den Phänomenen der sichtbaren und unsichtbaren Welt und versuchen, die Beobachtungen in Denkmodellen der Physik zusammenzufassen. Entsprechend begibt sich der Wissenschaftshistoriker Fischer auf eine Zeitreise und teilt sein Buch über Physik in drei große Teile: Die Grundbegriffe, klassische Physik bis zur Quantenmechanik und schließlich moderne physikalische Strömungen mit ihren großen Rätseln für unsere Zukunft.
Dabei richtet sich der ästhetische, große Bildband an jene interessierten Leser, die zu Schulzeiten an der Physik vielleicht sogar gescheitert sind, bzw. froh waren, nach Ende der Schulzeit mit solch komplexen Phänomenen nichts mehr zu tun zu haben. Entsprechend umfangreich ist auch der Teil des Buches, der sich den Grundbegriffen widmet, die geklärt sein wollen, bevor es der Relativitätstheorie an den Kern geht.
Reise durch die Wissenschaftsgeschichte
Was ist eigentlich Energie? Viele gängigen physikalischen Grundbegriffe wurzeln in den Denkmodellen der Antike, sowie zum Beispiel Aristoteles den Begriff der Energie, »energeia« geprägt hat. Energie ist dann die Aufwendung, die ein Individuum einsetzen muss, um eine Möglichkeit auszuführen. Es brauchte aber erst den Umweg über den Gedanken der Kraft, der auf Newton zurückgeht, sowie die Entwicklungen der industriellen Revolution, bis der bahnbrechende Gedanke der »energeia« des Aristoteles in die Lehre aufgenommen wurde.
Anekdotenhaft und charmant führt Fischer die Leser durch das Universum der Physik. So vieles wird vermittelt, »Atom«, »Quantum«, »Elementarteilchen« und das Standardmodell der Physik. Fischer strengt sein Publikum an, er fördert nicht nur das Verständnis der Wissenschaft, er fordert auch das Verstehen ein. Während er nonchalant über Komplementarität plaudert, sich wundervolle Wissenschaftsfotografien und Grafiken durch den Bildband schlängeln, wird immer wieder nebenbei eine Formel erklärt und niedergeschrieben.
Wunder erkennen
Dabei umgibt sich Fischer nicht mit den Insignien eines dünkelhaften Gelehrten. Ihm ist klar, dass seine realitätsverhafteten Leser erst einen Zugang zur Thematik brauchen, der sich bei Mechanik und Elektrodynamik noch rasch finden lässt, aber spätestens bei den Relativitätstheorien und der Quantenmechanik dem Alltagsverständnis entzieht. Ohne Arroganz zeigt er auch die Grenzen der Wissenschaft auf, die eigentlich ja die Welt erklären will und doch immer wieder erkennen muss, wie sehr sie erst am Anfang der Welt steht.
Entsprechend komplex gestaltet sich der Teil über moderne physikalische Denkansätze, von Astrophysik über Geophysik bis hin zur Kosmologie und zur Tieftemperaturphysik. Hier gibt es nichts final zu erklären, es kann nur ein Tor aufgestoßen werden zu einem Universum voller Rätsel und Wunder. Dennoch gelingt es Fischer, anhand von Beispielen wie dem CERN oder gerade der Geophysik mit der Darstellung des irdischen Planeten konkrete Bezüge zur Wirklichkeit zu schaffen. Nicht, dass man nach der Lektüre ein Physikstudium in Angriff nehmen könnte. Doch zu verstehen und hochzuachten, dass es Menschen gibt, die sich den Rätseln des Universums kreativ stellen, ist eine Erkenntnis, die man nach der spannenden Lektüre von Fischers Das Große Buch der Physik durchaus gewinnen kann.
Titelangaben:
Ernst Peter Fischer: Das Große Buch der Physik.
Köln: Fackelträger Verlag, 2017. 320 Seiten. 40 EUR.