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Marlene Fritsch, Volker Konrad: Der Tag, an dem Paul wieder bunt wurde.

Für Farbe im Leben

Es ist wundervoll, wie Marlene Fritsch uns auf erstaunliche Dinge in unserer Welt hinweist. Wie bunt und farbenfroh sie ist, welch abwechslungsreiche Bilder uns durch die Medien erreichen, wie multikulturell wir leben. Doch Der Tag, an dem Paul wieder bunt wurde zeigt auch die Eindimensionalität des Denkens, die Kraft der Vorurteile selbst bei Kindern und unser ständiger Versuch, in Schwarz-Weiß Schemata unsere Umwelt zu sortieren. Ein Appell.

Der kleine Paul ist auf Besuch bei seiner Oma und blättert in deren Fotoalben. Alle Fotos sind schwarz – weiß und Paul staunt über die graue Realität im Leben seiner Großmutter. Der kleine Anachronismus, dass höchstwahrscheinlich alle Omas heutzutage schon Farbfotos besaßen, stört kaum. Denn die Szene mit den Fotoalben ist nur der Aufhänger. Früher waren die Menschen schwarz-weiß, heute sind sie bunt. Doch die Oma sieht das anders.

Farbe im Kopf

Schwarz – weiß – Denken entsteht im Kopf, erklärt sie Paul und der versteht nicht. Natürlich nicht, denn kleine Leser wissen wahrscheinlich nicht, was mit dem zweidimensionalen Denken gemeint ist. Insofern ist der Aufhänger der Geschichte von Marlene Fritsch ein guter für Erwachsene, aber ein unverständlicher für Kindergartenkinder. Kleine Kinder vertrauen den Großen blind. Das kann falsch sein und Marlene Fritsch zeigt im Verlauf der Geschichte, warum.

Paul begleitet seine Oma auf ihren Weg zu einem Malkurs. Die Stadt ist bunt und wuselig. Doch schon bei der ersten Busfahrt wird Paul Zeuge eines Gesprächs, das von Xenophobie und Vorurteilen nur so trieft. Und die beiden alten Damen, die sich in ihrem Fremdenhass gegenseitig aufputschen, verlieren jede Farbe und werden schwarz-weiß, sehr anschaulich dargestellt im sonst farbigen Bild dank Volker Konrad.

Alltagssituationen

Marlene Fritsch gelingt es wirklich gut, anhand von Alltagssituationen aufzuzeigen, wie sehr wir von Vorurteilen beeinflusst werden und wie leicht sie ausgehebelt werden können. Es geht um Ausländerfeindlichkeit, Stereotype, Diskriminierung von Frauen. Es geht aber zum Beispiel nicht um Geschlechterstereotype oder Homosexualität. Das lässt den pädagogischen Wert drastisch sinken. Und lässt einen deutlichen Softspot der Autorin vermuten.

Auf sechs Seiten wird dargestellt, dass nicht jeder Ausländer klaut und nicht jeder Muslim ein Terrorist ist, aber dass Schwule und Lesben sich immer noch Anfeindungen ausgesetzt sehen und nur wenige Väter den Rollentausch vollziehen wird nicht erwähnt, das fehlt sehr. Dafür dürfen Mädchen endlich Fussballspielen, eine Aussage, die schon etwas abgegriffen ist. Am Ende wird Paul sogar selbst schwarz-weiß, weil er eben den Mädchen jede sportliche Kompetenz abspricht.

Selbsterkenntnis

Abgesehen davon ist es wichtig, wie Marlene Fritsch darauf verweist, dass der alte Affe Angst uns reitet, wenn wir wieder in unseren Vorurteilen versinken. Und dass man sich seiner Angst bewusst werden muss, um die Vorurteile überwinden zu können. Mittels eines bunten Plakates zum Beispiel oder dank eines Gespräches mit der Oma. Nachfragen, Kinder, über Dinge sprechen. Dann macht es nichts mehr, wenn mein Junge ein lila Hemd anzieht und sein Freund lange Haare trägt. Dann freut man sich, wenn sich zwei Frauen küssen und lädt die afghanische Nachbarin zum Tee.

Titelangaben:

Marlene Fritsch, Volker Konrad: Der Tag, an dem Paul wieder bunt wurde.

Ostfildern: Patmos Verlag, 2016. 24 Seiten. 12,99 EUR.

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