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Julie B. Booth: Stoffe bedrucken nach Art des Hauses.

Textildesign aus der Vorratskammer

Julie B. Booth‘ Stoffe bedrucken nach Art des Hauses ist eigentlich erst der Anfang von etwas. Denn als die Textilkünstlerin 2010 ein Stipendium erhielt, um zu erforschen, welche Haushaltsmittel als Reservemittel beim Stoffdruck eingesetzt werden können, entdeckte die sie ihr Faible für Textildruck mit allem, was das traute Heim so hergibt. Wenn man sich auch nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass Textildruck eine aufregende und aufwändige Angelegenheit ist, rückt er dennoch mit diesem Buch in den Bereich des Machbaren.

Booth richtet sich nämlich ausdrücklich an kreative Leser, die Textildruck für sich erkunden möchten und vielleicht wenig Vorerfahrung und keinen Atelierzugang haben. Deshalb befasst sich das erste Kapitel ausführlich mit Werkplatz und Grundausstattung und schon hier sieht man, wie genial einfach und effizient Booth plant. Hält man sich an ihre Ratschläge, werden viele Anfängerfehler vermieden.

Drucktechniken und Material

Dann geht es aber auch gleich zur Sache. In einem zweiten Kapitel wird genau erklärt, wie gedruckt werden kann. Collagetechniken, erhabene und vertiefte Drucke, Strukturen mit Fundstücken und Küchenwerkzeugen. Booth‘ Fundus mutet abenteuerlich an, aber die Ergebnisse sind absolut erstaunlich. Schnell verliert man die Angst, denn irgendetwas von dem Material, mit dem Booth druckt, hat jeder zuhause.

Selbst Obst und Gemüse wird zweckentfremdet. Und wenn ich auch etwas leide, weil ich so ungern Essen verschwende, so sehe ich doch die Schönheit eines Kartoffeldrucks, die Strukturen, die in Möhren geschnitten werden können und dass ein halber Apfel immer perfekt in sich ist. Booth beschränkt sich aber nicht nur auf den Kühlschrank, prinzipiell druckt sie mit allem, was ihr zwischen die Finger kommt.

Das eigene Auge schulen

Für mich ist dies die wichtigste Lehre aus dem Buch: habe Mut, dich deines eigenen Auges zu bedienen. Es gibt so viele Strukturen um uns herum, die sich nutzen lassen. Gummis, um Pappröhren gewickelt, die wiederum auf Walzen geschoben werden, Druckstöcke aus Salzteig oder Pappe mit Reis oder Pasta, Schablonen aus Müslikartons und vieles mehr. Die Küche ist ein unendlicher Fundus an Druckmodeln, die nur darauf warten, zweckentfremdet zu werden.

Reservemittel aus der Küche

Darunter versteht man Techniken, die Stoffbereiche vor dem Farbauftrag schützen. Je nach Technik erhält der Stoff eine andere Textur. Mit Wasser und Weizenmehl beispielsweise lassen sich Craquelémuster erzielen, bei Gelatine ergibt sich eine körnige Pünktchenstruktur und mit Handspülmittel ergeben sich scharfe Konturen. Insgesamt können dank der Reservemittel mehrere Schichten Farbe und Druckmuster aufgetragen werden, die dann wieder abgekratzt werden und nach dem Fixieren ausgewaschen werden.

Erst mit dieser etwas komplizierten Technik sehen die Stoffe aus wie gekauft. Booth empfiehlt selbst, viel zu experimentieren, so dass anfangs vor allem Fat Quarter Formate entstehen werden, bevor man sich an den Druck von größeren Stoffflächen wagt. Allein die vielen schönen Arbeitsbeispiele machen Lust aufs Loslegen und dank der detaillierten bebilderten Beschreibungen hat man auch nicht das Gefühl, dass sonderlich viel schiefgehen kann.

Titelangaben:

Julie B. Booth: Stoffe bedrucken nach Art des Hauses.

Aus dem Englischen von Sybille Heppner-Waldschütz.

Bern: Haupt Verlag, 2016. 128 Seiten. 24,90 EUR.

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