Archiv für den Monat: Oktober 2017

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Orhan Pamuk: Diese Fremdheit in mir.

Geheimnisvolle Blicke

Wenn Orhan Pamuk in Diese Fremdheit in mir wehmütig auf den Wandel Istanbuls von einer orientalischen Großstadt zu einer modernen Metropole blickt, dann verbinden sich orientalische Erzählkunst mit dem Blick eines kritischen westlichen Soziologen. Metaphern aus tausendundeiner Nacht bilden einen Teppich des Geheimnisvollen, auf dem ein Mann die falsche Frau wählt, um die Richtige zu lieben. Ohne erhobenen Zeigefinger und ohne Urteil lebt der Protagonist Mevlut seine eigene Version eines starken Wanja, um im Wandel der Zeiten zu bestehen. VIOLA STOCKER begab sich auf eine Reise.

Die Grundsituation der Familie Mevluts ist einfach. In einer Zeit, in der die ganze Türkei sich ändert, beharrt der Vater auf Tradition. Während Onkel und Cousins die Relevanz der Schulbildung und modernen Unternehmertums erkennen, verkauft Mevluts Vater Joghurt und Boza auf den Straßen Istanbuls und reicht den Verdienst an die arme Familie in Anatolien weiter. Durch sein störrisches und streitbares Wesen verscherzt er es sich mit seinem Bruder, der erfolgreich einen Krämerladen betreibt und so bereits den ersten Schritt zum sozialen Aufstieg gemacht hat.

Komplexes Sittenbild

Während also die Situation des Clans von Anfang an klar aufgeteilt ist, empfindet man ausgerechnet mit der tölpenhaften, rückwärtsgewandten Familie Mevluts Mitleid. Mevlut wächst als glücklicher Junge auf dem Land heran und über die Entscheidung seiner Familie, ihn nach Istanbul auf die Schule und zum Arbeiten zu schicken, ist er mehr als betrübt. Obwohl er ein begabter Schüler ist, verkennt er die Bedeutung von Bildung und verlässt die Schule ohne Abschluss.

Mevlut folgt seinem Vater als Boza- und Joghurtverkäufer und stellt sich sogar geschickt an. Als Jugendlicher in Istanbul lernt er aber auch politische Subkulturen kennen, sein kurdischer Freund Ferhat ist Kommunist und Mevlut fühlt sich zwischen den progressiven kurdischen Kämpfern und der nationalistischen Miliz seiner Cousins Süleyman und Korkut hin und hergerissen. Sein Vater hat sich mit seinem Bruder und Onkel wegen eines Grundstücks zerstritten, Mevlut verzweifelt in seiner Harmoniebedürftigkeit an den Unstimmigkeiten des Clans.

Vom Erhalt der Unschuld

Orhan Pamuk gelingt es, in Mevlut einen Protagonisten zu kreieren, der in einer bewegten Zeit seine Unschuld bewahren kann. Mevlut ist ein passiver Held, einer, der erträgt. Während Ferhat oder Korkut und Süleyman politische oder persönliche Intrigen spinnen, gerät Mevlut zwischen die Fronten, wird geschlagen und verspottet, nur, um Abends auf Istanbuls Straßen stoisch seinen Joghurt zu verkaufen. Er ist ein Einfaltspinsel, ein türkischer Don Quichote, den man genau deshalb einfach mögen muss.

Natürlich verliebt sich Mevlut auf der Hochzeit seines Cousins Korkut mit der hübschen Vediha in eine der beiden Schwestern Vedihas. Ihm haben es die Augen der Schönen angetan, ihre Blicke verfolgen ihn von nun an. Mevlut ist Samiha verfallen, der jüngsten Tochter des Joghurtverkäufers Abdurrahman, die jedoch noch nicht im heiratsfähigen Alter ist. Auch Süleyman verehrt die Jüngste und betrügt kurzerhand Mevlut. Der Name der Schönen sei Rayiha, sagt er Mevlut, die zweitälteste der Schwestern. Pamuk spielt hier gekonnt mit der orientalischen Tradition des Verschleierns, für Mevlut scheint es ganz unmöglich herauszufinden, ob diese Augen nun Rayiha oder Samiha gehören.

Briefe aus dem Orient

Mevlut ist aber nicht nur Opfer. Er selbst schummelt sich durch sein Leben, immer den Weg des geringsten Widerstandes wählend. Ferhat wirft ihm Beliebigkeit vor und kann sich doch dem Charme Mevluts nicht entziehen, der ihn bittet, für ihn Liebesbriefe an Rayiha zu verfassen. Als er zum Militärdienst eingezogen wird, sind diese Briefe an Rayiha das einzige, was ihn aufrechterhält. Zurück in Istanbul entführt er Rayiha mit Hilfe Süleymans und bemerkt noch während der Flucht, dass der die falsche Braut nach Hause geführt hat, während Rayiha später daran fast zerbricht, zu wissen, dass Mevlut diese Briefe an eine andere addressiert hatte.

Auf anrührende Weise ist es ausgerechnet Mevlut, der am Ende unbeschadet in der Metropole überlebt. Er nimmt sein Schicksal an und liebt Rayiha hingebungsvoll, während seine Cousins Reichtümer häufen und unglücklich werden. Alle ausgeklügelten Lebensentwürfe nützen der Sippe nichts und die wenigen Entscheidungen von Mevluts Mitmenschen bedeuten ihren Tod. Rayiha gebiert Mevlut zwei Töchter, die er ebenso abgöttisch liebt wie seine Frau. Als Rayiha zum dritten Mal schwanger wird, stirbt sie an den Folgen eines Abtreibungsversuchs. Ferhat, der sein Schicksal ebenfalls nicht annehmen will, entführt die schöne Samiha, verliebt sich dann aber in eine Unbekannte und wird im Istanbuler Kleinkriminellenmilieu erschossen.

Keine Antworten, nur Entfremdung

Mevlut versteht die Welt um ihn herum nicht mehr, er wird in seiner eigenen Stadt, seiner eigenen Familie ein Fremder. Dennoch bleibt er bei sich, ein stiller Beobachter und man versteht längst, dass die dunklen, geheimisvollen Blicke der schönen Samiha nur das Echo seiner eigenen einfältigen Sicht sind. Auf seine Art befreit er seine Töchter, die er frei wählen lässt in Beruf und Liebe, um am Ende doch noch die verwitwete Samiha zu heiraten und aus seiner Armut heraus in ein schönes, neues Haus am Stadtrand zu ziehen, während seine Cousins sich erst spät mit der eigenen Mittelmäßigkeit abfinden. Kein Bildungsroman, keine Entwicklung eines Helden, denn Mevlut bleibt sich treu. Doch ein facettenreiches Bild einer traditionellen Gesellschaft, die in einem tiefen Wandel begriffen ist und in der Mevlut sinnbildlich steht für jene, die sich schwer tun mit dem Wechsel der Zeiten und doch überleben müssen.

Titelangaben:

Orhan Pamuk: Diese Fremdheit in mir.

Aus dem Türkischen von Gerhard Meier.

München: Carl Hanser Verlag 2016. 592 Seiten. 14 EUR.

MMI – Lübben

Ich habe noch immer so viele Geschichten aus unseren Sommerferien, es ist unglaublich, wie erfüllt wir dieses Jahr waren. Heute möchte ich Euch Impressionen aus Lübben zeigen, einer kleinen Stadt im Spreewald, die offensichtlich alles richtig gemacht hat. Der Spreewald und seine Kanäle bleiben erhalten und touristisch erschlossen, und die Lübbener haben einen wunderschönen Stadtpark mit so vielen verschiedenen Spielplätzen, dass man neidisch werden kann. Dass die Lübbener ihre Stadt lieben, konnte man sehen. Der Park war mehr als gut besucht und das absolute Highlight war der Wasserspielplatz. Sehr kluge Leute haben einen Teil der Spree nur ein bisschen umgeleitet, damit Kinder ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgehen können – planschen. Das alles kostenlos, schön und wunderbar in Schuss gehalten. So etwas würde ich mir für jede Stadt wünschen!

Ab zu Frollein Pfau damit!

 

Paperpeople

Meine Werkstatt ist grade ein heilloses Durcheinander. Gefühlt tausend Projekte laufen parallel und nehmen Platz und Zeit in Anspruch. Wenigstens eins davon konnte ich letzte Woche realisieren und damit anfangen, mein Schaufenster im Laden wieder umzuräumen. Darf ich vorstellen?

My studio is a mess, as far as everybody can see. I work on  a thousand projects in a time. At least one was finished last week so that I was able to redecorate the shop window. May I introduce you to….

Paperpeople…..

 

Gemacht aus Draht und Papier, gegossen in Beton, mit Filzunterlage.

Made of wire, paper and concrete, with some felt at the bottom.

Sie wanderten erst durch meine Werkstatt, dann durch die meines Mannes, dann durch mein Wohnzimmer und schließlich in den Laden. Ein stilles, bewegtes Völkchen aus Buchstaben und Stein. Ich mag sie sehr.

They were wandering through the studio, through my husband’s garage, through the living room and eventually to the shop. A silent people of letters and stone. I like them a lot.

Verlinkt mit Creadienstag, HoT, EiNaB, HappyRecycling, Gusta, Dienstagsdinge, Pamelopee und Meertje!

Neu Gelesen

 

Annette Danielsen: Blumenstrick

Florales auf der Nadel

Alle, die nicht nur einfach ein paar Socken stricken wollen, sondern ihren Werkstücken etwas Künstlerisches geben möchten, werden sich über Annette Danielsens Blumenstrick freuen. Der Rest strickt dann halt wieder Wollsocken und schmökert bei Tee oder Kaffee über dem schön gebundenen Exemplar von LV – Buch, in dem sich florales Design in tollen Blütenfotos und aufwändigen Maschen wieder treffen.

Wer möchte nicht im Winter bei Miesepeterwetter an Blütenträume denken? Annette Danielsen ging es wohl genauso und ihre Gedanken streiften um Artischocken, Tulpen, Calla, Herbstanemonen, Sonnenblumen, Hortensien, Lupinen, Krokusse, Pfingstrosen, Traubenhyazinthen, Ranunkel, Gänseblümchen, Kastanien, Mohn, Pusteblumen und Christrosen. Ist das nicht ein wundervoller Strauß? Ich würde ihn sofort nehmen!

Frühling auf der Nadel

Es geht natürlich immer um die künstlerische Interpretation und so ist es spannend zu sehen, wie Annette Danielsen sich eine Artischocke als Jacke vorstellt. Und ja, es funktioniert, man ahnt die Schuppen, sieht das frische Grün mit dem zarten Bordeaux und darf sich über Strickmuster freuen, die nicht langweilig sind. Im Fall der Artischocke reicht ein einfaches Zählmuster mit Streifen, manchmal sind es auch kompliziertere Strukturen, die sich winden.

Die Calla zum Beispiel sieht man wunderbar im leichten weißen Mohairpulli, über den sich in langen Stielen nach oben stilisierte Calla Blüten strecken. Hier muss ordentlich gezählt werden und auch die Passe ist nicht ganz ohne, aber das Ergebnis lohnt sich. Danielsen entwirft ein – und mehrfarbige Modelle, die Blüten sind immer da, aber nie aufdringlich oder kitschig. Die Sonnenblume durfte ein senfgelber Rock werden, die Hortensie räkelt sich nur andeutungsweise über eine zartgrüne Jacke im Welllenmuster.

Alle Schwierigkeitsgrade

Ab der Lupine wird es komplexer, man sieht es an der Anleitung, die über bedrohliche sechs Seiten geht, dafür aber die Kerzenform und die verschiedenen Farbschattierungen der Blüte wunderschön einfängt. Nichts für Sonntagsstricker, würde ich sagen, und auch nichts für Mamas wie mich, die gerne mal geschwind im Auto vor der Musikschule stricken. Dafür locken die Krokusse mit ihren zarten gelben Blüten im Lochmuster und man freut sich, wenn es auch Muster gibt, die einfach auswendig zu lernen sind.

Ob Pullover oder Jacke, für jeden Stricktyp ist etwas dabei, vorausgesetzt wird eben nur die Affinität zu den Blumen. Das ist der Haken beim Programmstrick, aber auch der Vorteil, wenn man zum Beispiel dieses Buch jemandem schenken möchte, der ein Faible für seinen Garten hat und noch ein bisschen was zu tun braucht in den kalten Monaten. Die schönen Fotos und gut durchdachten Strickmodelle, die stets in S, M und L bzw. XL berechnet sind, versprechen Frühlingsmomente auch an kalten Wintertagen.

Titelangaben:

Annette Danielsen: Blumenstrick

Aus dem Dänischen von Dörte Dietrich.

Münster: LV- Buch, 2017. 140 Seiten. 19,95 EUR.

MMI – Beeskow

Wir hatten so einen netten Vormittag in der Burganlage von Beeskow. Ein kleines Museum mit einer Gerhard Hauptmann Ausstellung, Opernworkshop im Burghof, ein Mitmachmuseum über mittelalterliches Handwerk. Aber alles, was meine Kinder interessiert hat, war der Folterkeller! Friederike hat fotografiert, ich möchte noch zusätzlich auf den sauber gewischten und gefliesten Boden hinweisen (was für ein hübsches Verlies) und meine Stirn über so manche Infotafel runzeln. Hm. Seht selbst!

Verlinkt mit MMI!

 

Es wird gewaschen! Cleanse it!

Ich hab ja nicht direkt einen Putzfimmel, aber Saubermachen und Waschen muss ich manchmal. Dabei ist dieser Beitrag nur halb aktuell, wie ich beim Schreiben sehe, denn mir fehlt der Efeu. Kastanien sind erst demnächst reif und dieses Jahr habe ich schon im Sommer angefangen, über Waschmittel nachzulesen. Bestimmte Basisreinigungsmittel wie Waschsoda (nehm ich auch zum Abflussreinigen, für verdreckte Pfannen etc) und Natron (von der Breze bis zum Spülen oder für Badepralinen) und Kernseife habe ich immer daheim. Mischt man die drei, hat man Waschmittel. Wäscht super, aber ich musste auch ordentlich nachproduzieren. Mittlerweile schmeisse ich in die Waschmaschine (in einem ausgedienten Seidenstrumpf gestopft) immer 15 angerissene Efeublätter und gebe nur noch (ich trau der Sache immer nicht, meine Kinder sind so große Ferkel) 1 TL von meinem Waschmittel in die Waschkammer. Geht super, dank Natron und Waschsoda wird auch weiße Wäsche sauber. Nun muss ich optimieren: Kernseife ohne EDTA wäre gut, alles in Kartons oder in großen Mengen in Eimern. Wird schon noch.

 

Verlinkt mit: Creadienstag, HoT, Gusta, Pamelopee, Dienstagsdinge, Meertje, EiNaB, Happyrecycling.

I don’t like cleaning that much, but sometimes it has to be done. This is a post about laundry, but the ivy is missing. As long as you have soap, baking soda and cleaning soda at home, all is fine, you can make the best washing powder ever. I want to save both the earth and my money, hence I use only one teaspoon for my washing machine and add 15 ivy leaves (in a used nylon stocking) to the laundry. My laundry is really clean and I wonder wether ivy would do, but my kids still get so dirty. I keep trying…..

Neu Gelesen

Thomas Kadelbach: Tombola.

Man nimmt, was man kriegt

Das Initialmoment in Thomas Kadelbachs Tombola ist der Augenblick an der Kofferausgabe am Flughafen, in dem jeder hofft, den richtigen Koffer zu erwischen. Wie in einer Lotterie, oder eben Tombola, stehen die Chancen je nach Art des Koffers gut oder schlecht. Wer, wie im Fall der vier Protagonisten, einen eher unauffälligen, schwarzen Koffer besitzt, wird es schwer haben. Vor allem, wenn man den Irrtum zu spät bemerkt.

Was tun, wenn man im Hotel den Koffer auspackt und alles ist falsch? Man möchte vielleicht einen akademischen Vortrag halten, das Paper ist wichtig, doch nicht im Koffer. Keine Klamotten, keine Unterlagen, keine Identität. Statt dessen das pure Rätsel, denn mit dem vertauschten Koffer erhält man ein anderes Leben, andere Möglichkeiten. Vielleicht sogar eine neue Identität, auf jeden Fall die Chance auf ein Abenteuer.

Geheimnis der Persönlichkeit

Wieviel bleibt vom eigenen Leben und Alltag, wenn man die Insignien seiner Identität verliert? Dieser Grundfrage geht Kadelbach nach. Marco Bianchi, Kongressteilnehmer in Belgrad, ist ohne seine Unterlagen aufgeschmissen. Der junge Mann, der sich Zeit seines Erwachsenwerdens nicht für einen Beruf entschliessen konnte und lange durch die Welt getingelt war, gerät ausgerechnet an den Koffer eines Fotografen. Der Statistiker, der sich seine Welt in Zahlen erklären muss, ist plötzlich mit den Geheimnissen des Bildes konfrontiert.

In den ersten Kapiteln werden nun die Protagonisten vorgestellt, die die Koffer getauscht haben. Neben dem Statistiker Marco Bianchi gehört dazu auch Frau Christine Casagrande, ehemalige Schweizer Botschafterin in Belgrad, die anlässlich ihres Geburtstags in Belgrad alte Freunde treffen möchte. Ihr Los ist um einiges verstörender, denn noch bevor sie den Tausch ihres Koffers bemerkt, bleibt sie im Fahrstuhl stecken. Als sie den Alarmknopf betätigt und sich bis zur Öffnung der Tür mit ihren Unterlagen beschäftigen will, sieht sie, dass ihr Koffer offensichtlich einer gewissen Jennifer Lee gehört.

Verzwirnung der Leben

Zwei weitere Menschen sind vom Koffertausch betroffen: Alex Kapsopulos, seines Zeichens Immobilienmakler und Tania, Sprachlehrerin aus Belgrad, die bereits mit Herrn Kapsopulos ein Treffen zum Austausch der Koffer an Bord des Schiffes ihres Vaters, der Lazy Days vereinbart hatte. Doch leider war Tania an den Koffer eines Künstlers geraten. Herr Kapsopulos dagegen hatte Unterlagen eines Stadtführers gefunden.

Die Lazy Days wird im Laufe des Buches zum Treffpunkt der vier Protagonisten. Die Spannung entwickelt sich aus dem Umstand, dass offenbar noch weitere Personen ihren Koffer vermissen. So wächst die Zahl der Figuren von vier auf acht um den Stadtführer, den Fotografen, den Künstler und die Schauspielerin. Hier hakt auch der Roman Kadelbachs. Denn während die vier Protagonisten ihre Koffer suchen und zumindest sich finden, scheinen die anderen vier Betroffenen ihre Koffer nicht zu vermissen, ihre Geschichte taucht im Roman allenfalls in Randbemerkungen auf.

Umtausch ausgeschlossen

So endet, was hoffnungsvoll beginnt, im Nichts. Marco hält einen katastrophalen Vortrag und beginnt, über vergessene Träume auf der Lazy Days nachzudenken. Die Botschafterin und die Sprachlehrerin freunden sich an und beschließen, das Kunstwerk des Künstlers zu vollenden, ohne jedoch selbigen dort anzutreffen. Jemand verkauft Herrn Kapsopulos‘ Immobilie höchst erfolgreich, während er selbst eine Vorliebe für Reiseleitung entdeckt und daran erinnert wird, dass die Entscheidung für seinen Beruf eine zufällige war.

Über den Fotografen ist nichts herauszufinden, Kadelbach hat ihn vielleicht auch einfach nur vergessen. Der Künstler wundert sich nicht, dass seine Skulptur fertig ist, der Stadtführer fragt nicht beim Reiseveranstalter nach, die Botschafterin beschließt, ihre Diplomatenhülle fallen zu lassen. Am Schluss beendet die Lazy Days ihre faulen Tage, wird flott gemacht und sticht in See, um zur Party eines Filmregisseurs nach Rumänien zu fahren, um dort Jennifer Lee zu treffen. Ein toller Ansatz, nämlich das Leben der Menschen als Glücksspiel mit austauschbarer Identität zu sehen, verläuft leider im Sand, weil zu viele Fragen offen bleiben und zu viele Handlungsstränge nicht fertig gedacht werden.

Titelangaben:

Thomas Kadelbach: Tombola.

Zürich: Offizin Verlag, 2017. 288 Seiten. 22 EUR.