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Keith Finch: Pop up. Design und Konstruktion

 

 

Über Berg und Tal

Was hatte ich erwartet, als ich mir Keith Finches Pop up. Design und Konstruktion als Rezensionsexemplar bestellt hatte? Nicht viel, glaube ich. Vielleicht ein Who is Who der Pop Up Kunst, eine kurze Entstehungsgeschichte mit ein paar aktuellen Daten? Aber weshalb sandte mir dann der Haupt Verlag ein Trainingslager für Faltsüchtige zu? Es muss doch allen klar gewesen sein, dass ich nicht mehr zu halten bin, sobald ich etwas mit meinen Händen machen kann!

Ja, ich muss auch zugeben, dass das Cover in schwarz, weiß und giftgrün schon sehr cool aussieht. Das könnte durchaus in meine Entscheidung eingeflossen sein. Ein weißer Pop Up Globus als Cover, als könnte ich allen Ernstes die ganze Welt in Falten und flach legen, das ist doch ganz außerordentlich bemerkenswert. Mehr wusste ich jedoch nicht und als ich das Buch – und es ist eins der schweren, dicken Exemplare – schließlich in den Händen hielt, war ich sprachlos.

Konstruktionscamp

Wer auch immer gerne allgemein bedeutungsschwere Anmerkungen zum Thema Pop Up lesen möchte, kann getrost auf Keith Finches Werk verzichten. Keine historischen Daten, keine aktuellen Künstler, keine Anwendungsformen, keine neuen Ausstellungsdaten. Nichts, was einen zum Nachdenken verleiten könnte. Deshalb kann ich meine Rezension auch so herrlich kurz halten. Es gibt eine viertelseitige Einleitung, einen halbseitigen Überblick über Hilfsmitten und immerhin eine Seite zu allgemeinen Technikbegriffen. Aber kein Inhaltsverzeichnis, kein Register, kein Anhang, nichts!

Weil es nicht gewollt und nicht notwendig ist. Schon beim Öffnen meines Exemplares türmte sich vor meinen Augen ein sehr komplexes Pop Up mit Drehscheibe, Parallelfaltungen, Neigungswinkeln und was weiß ich nicht alles. Ich öffne und schließe meine Ausgabe des Öfteren, nur um zu beobachten, wie sich das Pop Up aufbaut und entdecke stets neue Aspekte. Nur zwei Seiten weiter und ich befinde mich mitten in einer eigenen Konstruktionswelt, in der Lesen nichts mit Lektüre zu tun hat sondern mit Arbeiten. Als würde ich über meinem Schnittpapier grübeln, grüble ich nun über Faltungen.

Übung macht die Meisterin!

Tatsächlich bin ich nun am Ende, denn auf der nächsten Doppelseite befasse ich mit einfacher Winkelfaltung, komplexer Winkelfaltung, einfacher Parallelfaltung, komplexer Parallelfaltung, Schiebeelementen, Drehmechanismen, Drehscheiben, der Planung von Pop Ups und einer Schritt für Schritt Anleitung für eben jenen Globus, den ich bereits auf dem Titelbild bewundert hatte. Das alles wäre sehr mühsam und trocken, hätte ich nicht das Glück, für jedes Kapitel jeweils zwei Übungsseiten zu finden, deren Stanzteile sich wunderbar leicht lösen ohne Risse zu bekommen und sich zu genau den genialen Pop Ups verbinden lassen, die ich schon die ganze Zeit bestaune.

Das heißt, dass alle, die dieses Buch durcharbeiten, am Ende mindestens zwei fertige, komplexere Pop Ups vor sich stehen haben. Und damit habe ich einen Weihnachtsfavoriten für all meine Freunde, die technisch begabt sind und über Weihnachten ein paar Tage mehr vom Alltag haben möchten als Braten und Plätzchen. Es wird definitiv unter dem Christbaum landen und ist perfekt für geschickte Menschen ab dem Teenageralter, in dem man sich in korrekter Arbeitsweise zumindest etwas einem erwachsenen Standard annähert.

Titelangaben:

Keith Finch: Pop Up. Design und Konstruktion.

Übersetzung aus dem Englischen von Lina Feske.

Bern: Haupt Verlag 2013. 24 Seiten. 30 EUR.

 

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